Wenn es um Münchner AutorInnen geht, gibt es viele große Namen, aber auch einige Persönlichkeiten, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. In unserer Reihe haben wir uns beiden Kategorien gewidmet und hier eine Top 10 für Sie zusammengestellt. Viel Spaß beim Wieder- und Neuentdecken.
Top 10: Münchner AutorInnen
1) Oskar Maria Graf
Nüchternes politisches Kalkül oder gar Parteiprogramme bleiben Oskar Maria Graf auch in der Weimarer Republik fremd. Wie er überhaupt ein tiefes Misstrauen gegen alles streng Geregelte wie Hierarchien, Institutionen und Obrigkeiten hegt. Trotzdem ist Oskar Maria Graf politisch äußerst aktiv. Er engagiert sich in der »Nansenhilfe«, die Geld zur Bekämpfung der Hungersnot in der Sowjetunion sammelt, steht dem Münchner Komitee für die Freilassung der unschuldig in Haft sitzenden Arbeiterführer Sacco und Vanzetti vor, kämpft gegen das Zensurgesetz, ist Mitglied der von den Kommunisten beherrschten Roten Hilfe, unterzeichnet einen Aufruf für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den legendären Arbeiterführer Max Hoelz und gründet mit anderen Kollegen den »Jungmünchner Kulturbund«, der sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt. – Elisabeth Tworek
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2) Wolfgang Koeppen
Koeppen sollte (wieder) gelesen werden, denn letztlich ist es nie zu spät für das, was Jürgen Klein, einst Leiter der Internationalen Wolfgang Koeppen-Gesellschaft, kürzlich gesagt hat: »Es gibt eine Koeppen-Verzauberung. Ich zweifle nicht daran.« Der Sound seiner Prosa – volltönende Sätze, die noch in hämmernder Verknappung von bestechender Sinnlichkeit sind – trägt dazu bei. – Florian Welle
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3) Frank Wedekind
Seine als sittenwidrig verpönten Werke hatten den Schriftsteller zu diesem Zeitpunkt längst zum Protagonisten eines beinahe operettenhaft anmutenden Kampfes gegen die wilhelminische Zensurbehörde gemacht. Wegen satirischer Gedichte auf den Kaiser saß der Mittdreißiger bald sechs Monate in Festungshaft und leistete in stoischer Renitenz so bereits um die Jahrhundertwende der Münchner Räterepublik geistig Vorschub. – Lena Ghio
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4) Lea Singer alias Eva Gesine Baur
Eva Gesine Baur kann Menschen mit rückhaltloser Hingabe bewundern. »Verehren«, sagt sie selbst. Das bedeutet nicht, dass sie idealisiert. Sie misstraut vorbildlich glattgeschliffenen Fassaden. Es sind die Brüche, Läsionen und Widersprüche, die sie interessieren und die sie in ihren Romanen auszuloten versucht. Oft aus der Perspektive von Personen, die im Schatten großer Künstler stehen wie Mathilde Schönberg oder Nico Kaufmann. – Petra Hallmayer
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5) Georg von der Vring
Gedichte, die im Grunde Lieder sind. Einnehmend in ihrem zarten Ton, die romantisch zu nennen auch Vring selbst nicht abgelehnt hat, wenn es »sachlich« gemeint war. Gerade ihr Hang zur Melancholie, zu verschatteter Thematik – die Vergänglichkeit der Liebe, der Natur und des Lebens – wecken dies Assoziation. Peter Hamm nannte von der Vring einmal sehr schön den »Matthias Claudius unseres Jahrhunderts«. Der Dichter selbst hegte für Nikolaus Lenau und Detlev von Liliencron Bewunderung. Eine formvollendete Miniatur wie »Die Beeren« mag das Gesagte belegen. – Florian Welle
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6) Herbert Schlüter
Fetisch Liebe: Schlüter ist unerbittlich in der psychologischen Durchdringung seiner Figuren, und eben mit dieser Gestaltung menschlicher Seelenzustände zeitlos aktuell. Kein Zufall ist es daher, dass der Ich-Erzähler in »Nach fünf Jahren« Freudleser ist. Zusätzlich wird darin noch auf subtile Weise eine inzestuöse Liebe verhandelt. Bei diesen Themen nimmt es kein Wunder, dass der S. Fischer Verlag in vorauseilendem Gehorsam den Roman 1933 als nicht mehr zeitgemäß einstufte und sich gegen eine Veröffentlichung entschied. Schlüter selbst hat sich gleich nach der Machtergreifung der Nazis für das Exil entschieden. – Florian Welle
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7) Oda Schaefer
Wehmut prägte von Anfang an ihre Dichtung, nach dem Krieg nahm sie zunehmend etwas Melancholisch-Verschattetes an. Im Zentrum stand die Auseinandersetzung »mit Tod und Verfall« vor dem Hintergrund des Erlebten, wie es im Eintrag für das Literaturportal Bayern der Bayerischen Staatsbibliothek heißt. »Gedenke des Todes« ist der Titel eines Gedichts, das beginnt: »O denk daran! Der Tod ist wie ein Kern / In dir und deinem Tagewerk verborgen.« – Florian Welle
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8) Carry Brachvogel
Sie selbst entzog sich der Konvention, nachdem ihr Mann, der Schriftsteller und Journalist Wolfgang Brachvogel, 1892 im Tegernsee ertrunken war. Entgegen der Gepflogenheiten ging die 28-jährige Mutter zweier Kinder keine Versorgungsehe ein, sondern reüssierte als unabhängige Feuilletonistin und Schriftstellerin. Was fortan allein zählte, war die Arbeit. »Es gibt gar nichts Schöneres, als den ganzen Tag zu arbeiten«, schreibt sie einmal. Damit führt sie ein emanzipiertes Leben, das das Gegenteil vom »Lilienaufdemfelddasein« ist, unter dem Elisabeth aus den »Alltagsmenschen« so leidet. – Florian Welle
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9) Karin Fellner
Ihre Gedichte sind nicht leicht zugänglich. Sie leisten Widerstand. Wer Karin Fellners jüngsten Gedichtzyklus »Ohne Kosmonautenanzug« liest, muss sich von dem Anspruch, alles verstehen zu können, verabschieden.Eines der zentralen Themen der 1970 in München geborenen Lyrikerin ist die Sehnsucht auszubrechen aus einer rationalisierten, von Nützlichkeitsdenken beherrschten Welt, sich zu befreien von dem Korsett aus Konventionen und Denkschablonen, aus der »gummizelle namens bewusstsein«, wie es in einem Gedicht in dem Band »hangab zur kehle« heißt. »sprenge dich ins freie« lautet dessen letzte Zeile, ein Aufruf, der im Rückgriff auf Hölderlin in »Ohne Kosmonautenanzug« wiederkehrt.
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10) Eduard von Keyserling
Wer handlungsreiche Geschichten schätzt, der wird bei dem 1855 auf dem Gut Tels-Paddern im damaligen Kurland, heute Lettland, Geborenen kaum fündig. Keyserling ist in erster Linie impressionistischer Sprachkünstler. Er kann die Worte so zart hintupfen, dass sich in die Leichtigkeit Wehmut und Melancholie mischen. Er kann ihnen aber auch einen ironischen Beigeschmack verleihen, sodass sich eine gewisse Distanz zu den überwiegend aristokratischen Figuren einstellt, die da auf Landsitzen und Schlössern herumschlendern. – Florian Welle
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