Mit Oda Schaefer nähert sich Florian Welle in unserer »Münchner Autoren«-Reihe einer großen Beschwörerin vergangener Bilder.

Oda Schaefer: Eine Münchner Autorin

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Oda Schaefer | Quelle: Bayerische Staatsbibliothek München | Bildarchiv

Oda Schaefer war eine kränkliche Frau. Auchbüberwand sie es nie, dass ihr einziger Sohn Peter aus ihrer Ehe mit dem Maler Albert Schaefer-Ast nicht aus Russland zurückgekehrt war. Ihr zweiter Mann, ihre große Liebe, der schlesische Schriftsteller Horst Lange, den sie 1930 kennengelernt hatte, überlebte den Krieg körperlich und psychisch beschädigt und flüchtete immer öfter in den Alkohol. Bis zu seinem Tod 1971 war die Lyrikerin seine unverbrüchliche Stütze. Einen Eindruck von ihrer eigenen Überlebensstrategie erhält man beim Lesen der Lebenserinnerungen »Auch wenn Du träumst, gehen die Uhren«, die ein Jahr vor Langes Tod erschienen sind und Ende der Siebzigerjahre um den Band mit Nachkriegsaufzeichnungen »Die leuchtenden Feste über der Trauer« erweitert wurden. In »Auch wenn Du träumst …« schreibt Schaefer: »Das Beschwören des vergangenen Bildes gleicht einem alten Zauber, es gehört zu den wenigen Kräften, die ich, körperlich schwach, besitze. Dieser Gabe verdanke ich auch mein Leben in vielen Momenten der Gefährdung, sie bedeutet für mich Leben überhaupt … Immer von neuem hat sie das Feuer in mir angefacht zur Selbstbehauptung, Entflammtheit und Liebe.«

Auch in der Lyrik war Oda Schaefer eine Meisterin im Erschaffen eindrücklicher Bilder. Die Tochter des baltischen Journalisten und Schriftstellers Eberhard Kraus kam 1900 in Berlin zur Welt und starb 1988 in München, wohin es das Ehepaar Schaefer/Lange nach dem Krieg über Stationen in Mittenwald und der Schweiz schließlich verschlagen hatte. Schaefers ureigenes dichterisches Revier, dem sie, Anleihen bei Antike und Mythos inbegriffen, ein Leben lang die Treue hielt, war die Natur, in der sie Trost fand, wie sie einmal sagte. Die Schlussstrophe aus dem Gedicht »Holunder« mag stellvertretend für viele Gedichte stehen: »Wie die Zeit vergessen lehnt / Drüben an der weißen Mauer / Bin ich’s selber, ohne Trauer, / Ohne Seele, die sich sehnt / Und am Stamm vergessen lehnt / Tief in deinem Wunder, / Sterniger Holunder.« Wehmut prägte von Anfang an ihre Dichtung, nach dem Krieg nahm sie zunehmend etwas Melancholisch-Verschattetes an. Im Zentrum stand die Auseinandersetzung »mit Tod und Verfall« vor dem Hintergrund des Erlebten, wie es im Eintrag für das Literaturportal Bayern der Bayerischen Staatsbibliothek heißt. »Gedenke des Todes« ist der Titel eines Gedichts, das beginnt: »O denk daran! Der Tod ist wie ein Kern / In dir und deinem Tagewerk verborgen.«

Ihr Werk besticht durch formale Könnerschaft. Ist lyrischer Tradition verpflichtet, die sie nach dem Krieg ebenso gegen die vermeintlichen Kahlschlagliteraten und deren lakonischen Tonfall verteidigt, wie sie das experimentelle Spiel mit Sprache ablehnt. Schaefer ist zeit ihres Lebens eine Kalligrafin, eine Schönschreiberin, geblieben. Monika Bächer, der wir eine materialsatte Biografie der Autorin verdanken, die u. a. aus deren in der Monacensia verwahrtem Nachlass schöpft, zitiert aus einem Manuskript, in dem Schaefer wortstark ihre Position verteidigt: »Nehme gegen die Übel unserer Zeit Stellung, Feind den Anti-Kalligrafisti, den Kahlschlägern.«

Paradoxerweise hat ausgerechnet vieles von dem, was einst als progressiv galt, mittlerweile Patina angesetzt, während einige ihrer Gedichte sich als beständig erwiesen haben. Weil sie die Natur in ihrer Überzeitlichkeit beschwören? Programmatisch sind bereits die Buchtitel: vom Debüt »Die Windharfe« (1939) über »Die Kastanienknospe« (1947) und »Grasmelodie« (1959) bis zu »Der grüne Ton« (1973). Einige Auszeichnungen hat Oda Schaefer für ihr Werk erhalten. 1951 etwa den Lyrikpreis der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, ein Jahr später die Ehrengabe der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und 1959 den Förderpreis Literatur der Stadt München.

Oda Schaefer ging nach dem Abitur auf eine private Berliner Kunstgewerbeschule, wo sie Grafikdesign, Kunstgewerbe und Malerei studierte. Ihre Gedichte werden sich später oft Anregungen in der Kunst holen, das Spiel von Licht und Farbe ist für sie von entscheidender Bedeutung. Sie verkehrte im Kreis um Tucholsky, führte das Leben einer Bohemienne. Nach ihrer Scheidung 1926 zog sie mit ihrem Sohn nach Liegnitz, wo sie schließlich Horst Lange begegnete, mit dem sie nach Berlin zurückkehrte. 1933 wurde geheiratet, Günter Eich war Trauzeuge. Gemeinsam gehörten sie zum Inner Circle der Literaturzeitschrift »Die Kolonne«, seit 1929 herausgegeben von Martin Raschke und Artur A. Kuhnert, deren Hauptanliegen die Naturlyrik war. Gleichzeitig war es vor allem Oda Schaefers Part, mit journalistischen Arbeiten sowie Modetexten zum Lebensunterhalt beizutragen.

Obwohl innerlich in Opposition zu den Nazis wollte man publizistisch sichtbar sein. Was folgte, war ein Leben im Widerspruch, das Schaefer in ihren Erinnerungen auch benannte: »Als Lyriker waren wir darauf aus, gedruckt zu werden – ein verständlicher Wunsch. Und da man nicht emigriert war, musste man manches hinnehmen.« Mutmaßlich half der Dichterin dabei ihre eingangs beschriebene Fähigkeit zum Beschwören versunkener Welten. 2010 ließ sich ihr Großneffe Chris Kraus von ihren Erinnerungen an einen Besuch auf dem Gut Poll in Estland kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu dem glanzvollen Film »Poll« mit der jungen Paula Beer in der Hauptrolle inspirieren. ||

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