Lokale Kleinverlage werden als »Münchner Buchmacher« im Rathaus sichtbar.
Münchner Buchmacher: Sichere Wette
Eine Wettagentur verbirgt sich nicht hinter dem sonnengelben Ladenschild: Die »Münchner Buchmacher« sind ganz im Wortsinne Bücher-Macher. Unter diesem Label haben sich sieben Münchner Kleinverlage zusammengetan, die nun schon zum zweiten Mal eine Zwischennutzung der Ladengeschäfte im Rathaus übernehmen und dort ihre Bücher verkaufen. In der Dienerstaße, zwischen Ticketshop und Filzladen, ist ihr Pop-up-Store diesmal zu finden. Bereits von Dezember 2018 bis Juni 2019 waren die Verlage in der Zeile vertreten und sehr zufrieden mit dem Feedback der Kunden. Bis einschließlich Januar 2021 wird es nun noch mal die Bücher der sieben Verlage zu kaufen geben: französische Literatur vom austernbank verlag, Bücher mit Bayern-Bezug aus der edition tingeltangel, München-Sachbücher vom Hirschkäfer Verlag, Skurriles und Spannendes vom Morisken Verlag, Kinderbücher aus dem Susanna Rieder Verlag, historische und topografische München-Bücher aus dem Franz Schiermeier Verlag sowie Literatur regionaler Autorinnen und Autoren vom Schillo Verlag.
Das jetzige Lokal wird seit Kurzem zentral vom »Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft München« an Bewerber vergeben. Die Münchner Buchmacher sind die ersten Nutzer. »Da hatten wir tatsächlich Glück«, so Verlegerin Bettina Deininger vom austernbank verlag. »Nachdem ein runder Tisch zur Verlagsförderung im Ministerium für Wissenschaft und Kunst im März wegen der Coronakrise abgesagt werden musste, hatten wir einen vielleicht etwas kessen Brief geschrieben – man möge uns doch nochmal einen Laden zur Verfügung stellen, dann wüssten wir uns schon selbst zu helfen.« Bettina Deininger freut sich besonders über die Zwischennutzung zu diesem Zeitpunkt: »Ich bin jemand, der lieber macht, statt zu lamentieren, da war die Weiterentwicklung der Buchmacher ein willkommenes Projekt.«
Das rege Interesse der Kunden während der ersten Zwischennutzung habe sie dazu inspiriert, weitere Titel mit Münchenund Bayern-Bezug ins Programm aufzunehmen und auch andere Medien zu integrieren, so Deininger. Diesmal hat das Kollektiv sein Angebot durch die Tonträger einiger Münchner Plattenlabels ergänzt: Musik und Unterhaltung von Electunes, Gutfeeling, Südpool und Trikont. Die kleine Galerieebene des Ladens soll an Münchner Künstler für Ausstellungen vergeben werden, zum Auftakt hängen hier Bilder der Münchner Tattookünstlerin Miriam Frank von »Farbenpracht Tattoo«. Die Buchmacher arbeiten gerade auch an einem coronakonformen Veranstaltungsprogramm, denn das mache sie besonders aus, so Deininger: die Begegnung von Autoren und Lesern. Die Vernetzung mit Gleichgesinnten sei eine wunderbare Bereicherung. Anfragen von Münchner Autoren und Künstlern gehen weiterhin regelmäßig ein.
Als Konkurrenz zu den umliegenden festen Buchhandlungen sähen sich die Buchmacher keinesfalls, meint Deininger. Für Kleinverlage sei es in der Tat enorm aufwendig, in allen Handlungen präsent zu sein, auch der München-Bezug vieler Titel sei im Gesamtbild großer Händler eine Nische, da würden sie natürlich nicht überall sichtbar. Die Erfahrung der ersten Zwischennutzung habe gezeigt, dass dieses Konzept als Ergänzungsangebot auch von den Kollegen wohlwollend aufgenommen wird. Ob jedoch eine stationäre Verlagsbuchhandlung eine Zukunft für sie habe, will Bettina Deininger noch nicht beantworten. »Natürlich ist das ein Traum, aber der Laden ist für unsere Ein-Mann- und Ein-Frau-Betriebe schon auch ein organisatorischer Mehraufwand. Wir werden sehen, ob sich das letztendlich rechnet.«
So klein das Geschäft auch sein mag, der Streifzug durch die reiche Münchner Kulturlandschaft ist eindrücklich und gerade jetzt, da die öffentlichen Veranstaltungen rar sind und Bibliophile im Frühjahr zwischenzeitlich auf den Lieferservice ihrer Buchhandlungen setzen mussten, ist ein solch fein kuratierter Laden, in dem man auch als Münchner noch Entdeckungen machen kann, eine anregende Wohltat – und das macht die Münchner Buchmacher durchaus zu einer sicheren Wette. ||
Münchner Buchmacher Pop-Up-Store | Marienplatz 8, Rathaus, Zugang Dienerstraße | aktuelles Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm
Unsere aktuelle Ausgabe:
Verkaufsstellen
Online-Kiosk
ikiosk.de
Sie bekommen die aktuelle Ausgabe gratis zu jeder Bestellung bei den folgenden Buchhandlungen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Heinz Strunk: »Es ist immer so schön mit dir«
Glitch: Die queerfeministische Buchhandlung in München
Text + Kritik: Das 60. Jubiläum
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton