Kindertheater-Vorstellungen in der Vorweihnachtszeit sind abgesagt. Aber die Theatermacher sind rührig und suchen Schleichwege zu ihrem Publikum.

Kindertheater: »Elias Revolution«, Koop3

Warten auf Hans Göttman

Olivia Meyer Montero in Maja Das Guptas Klimastück »Elias Revolution« | © Siegmar Warnecke

Eigentlich – ja, das Wort hätten alle gerne in der Schublade gelassen – sollte an dieser Stelle ein bunter, vorfreudiger Überblick über die Bühnenproduktionen stehen, mit denen die Münchner freie Szene im Dezember Kinder, Jugendliche und Familien in die einschlägigen Spielstätten lockt. Doch wieder sind die Jüngsten als Erste von den Coronaverboten betroffen. Keine Frage, die Infektionszahlen und die Hilferufe aus den Krankenhäusern sind alarmierend. Alarmierend war aber auch die Reaktion der Politik, die die Prognosen der Experten ignoriert und in steigende Zahlen hinein Lockerung um Lockerung beschlossen hat. Zynisches Wahlkampfkalkül, das der CDU/CSU Gott sei Dank nichts genutzt hat. Und nun also wieder die stotternde Vollbremsung mit neuen »Auflagen« alle zwei Tage. Als Erste kollabieren erneut die kleinen (Kindertheater-) Spielstätten unter ihnen, die bei einer 25-prozentigen Belegung so gut wie leer blieben. Dagegen protestiert der Verband der freien Kinder- und Jugendtheater.

Maja Das Gupta, die im Pathos gerade ihr Jugendstück »Elias Revolution« vorbereitet, erzählt aber auch von der reservierten Haltung der Schulen selbst. Kaum eine Klasse, die noch keinen positiven Coronafall hatte. Viele waren bereits komplett in Quarantäne. Da sind verbindliche Verabredungen schwer und die Ängste groß. Dennoch wird das Stück der Münchner Autorin und Regisseurin Vorstellungen vor Schulklassen erleben, und nicht nur das: Nach der geschlossenen Premiere in der Kulturbühne Spagat stellt das Pathos am 14. Dezember eine Aufzeichnung online, einen Tag später wird es je nach Situation eine Analogvorstellung oder einen Livestream geben.

Ein daran anschließendes Gespräch mit Jugendlichen ab 14 Jahren ist für Das Gupta ein Muss, denn der Schluss ihres Klimastückes könnte heikel werden. Für sie, die schon für »Lillys Bus« am Pathos eine Wütende erfand und inszenierte und in »Ela fliegt auf« (Regie: Grete Pagan) an der Schauburg bewiesen hat, dass das politisch allzu Korrekte sie nicht interessiert, gelte das Prinzip: »Wenn es inhaltlich schwierig wird, wird der Vermittlungsaufwand erhöht und nicht am Stück geschraubt!« Was genau passiert, wenn der Klimaaktivistin Elia die Geduld mit denen ausgeht, die hartnäckig ignorieren, dass die Erde längst brennt, steht noch nicht definitiv fest. Die Stückentwicklung bleibt offen bis zum Schluss, auch wenn die Vorproben bereits im August 2020 begonnen haben. Während einer viertägigen Klausur in einer Waldhütte südlich von München wurde am Stück gearbeitet und Filmsequenzen entstanden. Eine der Figuren des Stückes, der Filmregisseur Orson, wird von Siegmar Warnecke gespielt, der auch im echten Leben Filme macht. Orson ist zu Elia (Olivia Meyer Montero) und Natascha (Sarah Dorsel) gestoßen, nachdem ihm ein Video zugespielt wurde, in dem ein junger Protestierender im Hambacher Forst sich in die Tiefe stürzt. Nun werben die drei mit Quizshows, dem Basteln von Insektenhotels und Flyern für ihre Sache – oder eben mit radikaleren Mitteln. Vorab haben Das Gupta und ihr Team an »mobilen Klimastationen« Ideen und O-Töne von Jugendlichen eingeholt und sich schließlich auf die Ressource Wasser fokussiert, die von vermeintlich »sauberen« Autobauern wie Tesla wie vom Avocado-Hype verknappt wird. »Es soll aber keine reine Infoshow werden«, beteuert Das Gupta, die interaktive Elemente, eine intervenierende Autorin und Bilder in ihr Stück eingebaut hat, die Elia als ein »Melusinenwesen« zeigen – ebenso eng verwandt mit märchenhaften Meerjungfrauen wie mit Jeanne d’Arc und den Hungerstreikenden fürs Klima, die im September für Schlagzeilen sorgten. »Die Suche nach dem durchschlagenden Narrativ zieht sich durch das ganze Stück«, sagt Das Gupta – und die Frage: »Haben wir genug geredet? Braucht es eine Revolution«?« Oder gar neue Märtyrer? Mit der Chance auf eine öffentliche Vorstellung steht der Abend in der Vorweihnachtslandschaft der Münchner Jugend- und Kindertheater ziemlich alleine da.

Den unbedingten Willen zu spielen aber haben auch die neuerdings unter dem Label Koop3 versammelten Gruppen compagnie nik, Theater Kunstdünger und Altenbach&Honsel nach wie vor. Sie alle haben an ihrem Publikum erfahren, wie wichtig sinnliche Erfahrungen sind – und sind wütend über die Ausweitung der 2G+-Regel auf Jugendliche ab 12, die ja erst seit Kurzem geimpft werden können und nun mal wieder ausbaden müssen, was die Erwachsenen verbockt haben. »Wir machen weiter! Wir sind aktiv, auch wenn die Theater zu sind«, beteuert etwa Gabi Altenbach, die viel lieber in die Kindergärten und Schulen als online geht: »So kann ich viel mehr Kinder auch aus theaterfernen Familien erreichen.« Die brandneue TUSCH-Kooperation zwischen Koop3 und dem Tagesheim an der Hochstraße, die zwei Institutionen eng aneinander bindet und nach zwei Jahren mit einer gemeinsam erarbeiteten Produktion endet, sieht Altenbach bislang nicht gefährdet. Der Workshoptermin Anfang Dezember stand bei Redaktionsschluss noch.

Natürlich hätten Altenbach und ihre Kollegin Ines Honsel ihren Vorweihnachtsklassiker »Zimtsterne und Pfeffernüsse« gerne wie geplant im HochX gezeigt, das alle Dezember-Vorstellungen abgesagt hat. Nun werden sie ihn zu den Kindern bringen. Notfalls können sich Altenbach&Honsel als Erzähltheatermacherinnen immer noch auf die »Keimzelle« ihrer Kunst besinnen und aerosolintensive Spielszenen auf null zurückfahren – wie in ihrer vom Kulturreferat und den Bezirksausschüssen geförderten »Geschichtenstunde«, mit der sie seit März in sechs Grundschulklassen unterwegs sind. Christiane Ahlhelm und Lydia Starkulla vom Theater Kunstdünger bauen ihre von Haus aus mobile Bühne nun statt im HochX und Quax in diversen Turnhallen im Kreis Miesbach auf, wo sie ihr wunderbares neues Stück »Schleich.Weg« bis zu drei Mal hintereinander vor sehr kleinen Kindergruppen spielen können. »Wir nehmen auch Um- oder – passend zum Stück – Schleichwege in Kauf, um zu unserm Publikum zu kommen«, so Ahlhelm. »Auffällig ist, dass wir viele Workshopanfragen von Schulen bekommen. Die Lehrer*innen suchen vermutlich gerade auch nach Wegen, ihre Schüler*innen emotional zu erreichen.« So lange die Schulen offen sind, wird das auf diesem Weg zumindest für einzelne Klassen möglich sein.

Alle drei Gruppen haben zuletzt Gelder über das Programm »Neustart Kultur/Assitej e.V.« bekommen, das Schulvorstellungen fördert. Als Erstes die compagnie nik, die so seit Juni extrem viel gespielt hat. »Wenn auch meist vor sehr kleinem Publikum«, berichtet Dominik Burki, der gerade mit seinem neuen Solo »Im Glück« in Baden-Württemberg auf Tournee ist, wo derzeit noch mehr geht als in Bayern. Münchner Kinder werden auf den »umwerfend komischen und großartig originellen Hans Göttmann« noch etwas warten müssen, dem »nur wenige Minuten vor der 1.678sten Vorstellung« wie Elia die Hutschnur reißt – und der dann dem Weg folgt, der dem von Hans im Glück im Märchen ähnelt. Alle Unbill, die ihm begegnet, hält er für ein Geschenk, wird alles los und ist glücklicher als davor: eine Art, auf die pandemische, klimaerwärmte Welt zu schauen, die man gerade ganz gut brauchen kann. ||

ELIAS REVOLUTION
14. Dez. | 19 Uhr | Onlinefilm mit anschließendem Zoom-Gespräch
15. Dez. | 19 Uhr | Liveaufführung oder Livestream | Tickets
Mehr über Koop3, Partnerschulen, anstehende Termine und TUSCH gibt es hier und hier.

Weiteres über das Theater-Geschehen in München finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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