Das Theater Kunstdünger in Valley im Mangfalltal ist eines der fantasievollsten professionellen Kindertheater in der Region. Ein Gespräch mit der Theatergründerin und Leiterin Christiane Ahlhelm zum zwanzigsten Geburtstag der mobilen Bühne.

Theater Kunstdünger: Kontaktimprovisation mit Zollstock

kunstdünger

So eine Krake kann auch kuschlig sein: »Wenn ich groß bin, werde ich Seehund« © TOBEL

Christiane, am 26. Februar wolltet ihr mit der Premiere eurer neuen Produktion »SchleichWeg« Theatergeburtstag feiern. Das wird jetzt eher nichts?
Nein, aber wir proben und wollen so weit wie möglich eine Form von Abschluss haben.

Wie kam es vor zwanzig Jahren zur Gründung eures Theaters?
Durch Irritationen auf verschiedenen Seiten. Ich bin von meiner Ausbildung an der Tessiner Dimitri-Schule her sehr speziell auf Bewegungstheater ausgelegt. Von meiner ersten Abendprogrammstück »Die Rohrhorcher« waren viele Zuschauer begeistert, aber auch irritiert. Wir sind dann damit auf internationalen Kindertheaterfestivals herumgereicht und gefeiert worden, aber auch da kam die Frage auf: »Was machen die eigentlich?« Die Frau, die ich gespielt habe, wird versehentlich von ihrem Mann ermordet. Das war eindeutig kein Kinderstück, aber ohne Sprache und mit sehr witzigen Bildern und Kostümen wie etwa einem lebendigen Wischmopp. Dass wir irgendwann in Berlin als »die neuen Pantomimen« vorgestellt wurden, hat wiederum uns irritiert: »Hä, Pantomime? Wir reden doch einfach nur nicht.« Schließlich habe ich entschieden, da hinzugehen, wo meine Art des Erzählens fruchtbar sein kann, und habe erstmals bewusst ein Stück für Kinder gemacht.

Was zeichnet die Dimitri-Schüler aus, aus denen euer Gründungsteam bestand?
Die Schule wird immer in die Clownschublade gesteckt, aber wir hatten vielleicht zwei Wochen Clownerie in drei Jahren. Ich würde sie als Theaterhandwerksschule bezeichnen. Viele Absolventen sind als Individualisten genreübergreifend unterwegs. Und wir haben alle Lust auf Komik. Für mich ist Komik eines der sichersten Transportmittel für Inhalt.

Die – wenn ich etwa an »Die Prinzessin kommt um vier« denke – nie mit einem »Wir-sindjetzt-komisch-Gestus« serviert wird, sondern eher en passant bis staubtrocken.
Wenn wir unsere Zuschauer ernst nehmen, was meine Schauspielkollegin Lydia Starkulla und ich nicht nur hier tun, besteht das größte Vergnügen darin, sie den Witz vor uns entdecken zu lassen. Außerdem geht es immer schief, wenn man versucht, auf Teufel komm raus komisch zu sein. Du kannst nur an deinem Handwerk und am Timing arbeiten. Das tun wir und erlauben uns auch, Komikklassiker zu verwenden wie Slapstick oder ulkige Geräuschkombinationen.

Und auch gesprochen wird mittlerweile auf eurer Bühne, auf der ihr leichthändig mit verschiedenen Elementen jongliert. Haben sich eure Techniken und Erzählweisen über die Jahre verändert?
Die Lust, alles, was auf der Bühne zu sehen ist, auf möglichst überraschende Weise zu benutzen, ist geblieben oder hat sich sogar verstärkt, seit nach den ersten beiden Stücken die Bühnenbildnerin Sibylle Kobus ins Team kam. Sibylle sagt immer: »Wenn ihr ein Objekt nehmt, dann nehmt keines, das euch bedient, sondern eines, das den Raum der Möglichkeiten komplett aufmacht.« Wir spielen ja viel auf sehr kleinen Bühnen und haben diese räumliche Enge immer durch die Erweiterung unserer Spielmöglichkeiten zu sprengen versucht.

Nehmen wir die unterschiedlich großen Zollstöcke, mit denen du bei »Hannah und die Bohnenranke« alles baust: Haus, Ranke, Fenster. Wie arbeitet man damit?
Wenn mir als Schauspielerin von Sibylle so ein Objekt vor die Nase gesetzt wird, beginnt zunächst eine wertfreie Kontaktimprovisation: Was kann ich schnell machen mit diesem Ding, was geht nur langsam, was wirkt aggressiv? Bis wir einen Riesenfundus an abstrusem oder auch realistischem Bildmaterial haben, das wir Spielerinnen und unser Regisseur Michl Thorbecke verwenden können, sobald wir wissen, was wir erzählen wollen. Manchmal ist das Objekt eine große Beschränkung, doch gerade dann fordert es eigene Spielweisen und Bewegungsstile ein und generiert spannende Bilder, die wir vorher nicht gesehen haben. Man darf nur nicht aufgeben.

Als mobiles Theater kommt ihr nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch international herum. Ist die Wertschätzung von Kindertheater größer geworden?
Einerseits ja. Wir haben die ersten zehn Jahre ganz ohne Fördermittel gespielt und uns aus den kleinen Kindertheatergagen unseren Lebensunterhalt zusammengestöpselt. Und gerade auf dem Land wird dann ein Stück wie unsere »Klingelblume«, in dem eine Figur eigentlich nur Fäden bewegt, schnell zum Flop. Die Kindergartenkinder haben herrlich viel darin gesehen, aber die Erzieherinnen konnten nichts damit anfangen. Also kannst du es nicht verkaufen. Da kommt im Moment viel Positives zusammen, was den Druck senkt und freieres ästhetisches Experimentieren möglich macht: Die Vernetzung im Kinder- und Jugendtheaterverband, die Gelder vom Kulturreferat, die Spielmöglichkeiten über den Gastspielring. Da bin ich super optimistisch und auch dankbar.

Und andererseits?
In NRW gibt es die Reihe »Kindertheater des Monats«, da spielen wir in Häusern, die so groß sind, dass wir manchmal nur die Vorbühne und die ersten zehn Sitzreihen verwenden. Da kann man schwelgen in Licht und Platz. Das kenne ich in Bayern nicht. Außerdem darf Kindertheater bei uns am besten nicht mehr als 5 Euro kosten, es sei denn, es wird ein Musical wie »König der Löwen« gezeigt. Mehr als maximal zwei Schauspieler kann ich mir mit diesen Gagen als kleines Theater gar nicht leisten. Als wir mit dem Goethe-Institut in Südkorea waren, hat eine Eintrittskarte 30 Euro gekostet, und alles war ausverkauft. Klar, da waren die Besucher auf eine Art privilegiert, genau wie auch bei uns nur eine bestimmte Klientel mit ihren Kindern ins Theater geht, aber es ist ihnen auch so wichtig, dass sie bereit sind, das zu bezahlen. ||

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