Von heiter bis ernst – wie das Leben selbst. Für die kalten und stürmischen Tage haben wir vier Podcasts herausgesucht, in die Sie reinhören sollten.

Hörenswert! Podcasts im Oktober

Fenster auf Kipp

Es geht um die wirklich wichtigen Themen: Bushidos Karrierewechsel zum Ballermann, das Schnittblumenverbot der Grünen und darum, ob man ohne Haare oder ohne Zähne besser aussieht. Heinz Strunk, der in der Zwischenzeit vor allem als Schriftsteller und Meisterbeschreiber menschlichen Elends bekannt ist, geht für Spotify mit seinem Podcast »Fenster auf Kipp« zu seinen Wurzeln als Outsider-Humorist zurück. In täglichen Beiträgen von drei bis vier Minuten Länge spendiert er hier dem Publikum im Zwiegespräch mit sich selbst »tägliche Gedanken zu einem besseren Live-Design«. Das Ganze wird immer wieder durch Werbeanzeigen für obskure Produkte wie Strukturpflegesets und das Familienspiel »Lust-Greis« unterbrochen. Man muss es natürlich sagen: Hier wird nicht jeder lachen können. Strunk liefert mitunter Blödsinn, der jeder Art von Comedy- und Kabarett-Mainstream widerspricht und den er ohne Rücksicht auf Pointen-Gewohnheiten mit der Welt teilt. Am ehesten kann man das mit den frühen Hörspielprojekten von Helge Schneider oder Max Goldt vergleichen. Aber gerade deshalb – auch weil sein Humor hier gut portioniert ist – lohnt es sich, mal reinzuhören. Aber Vorsicht: den Tag mit Weisheiten wie »Hauptsache alle kauen und keiner isst« zu beginnen, das kann das Live-Design schon nachhaltig beeinflussen.
MATTHIAS PFEIFFER

Auch zu hören bei: Podigee, Apple Podcasts, Podtail, …

Terror am OEZ – Fünf Jahre nach dem Anschlag in München

Wer am Abend des 22. Juli 2016 in München war, weiß noch gut, wo er sich aufgehalten hat. In den sozialen Netzwerken war von diversen
Tatorten die Rede. Am Stachus werde geschossen. Am Isartor. Im Hofbräuhaus. All diese Meldungen stellten sich als falsch heraus. Nur die folgende leider nicht: Ein junger Mann erschoss gegen 18 Uhr in und vor einem McDonald’s am Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen und verletzte viele andere. Unter einem weiblichen Fake-Namen hatte er im Internet gezielt Jugendliche mit Migrationshintergrund mit der Aussicht zum Tatort gelockt, ihnen dort etwas zu spendieren. Das jüngste seiner Opfer war 13. Der Podcast »Terror am OEZ« von Spotify und »SZ« zeigt die Perspektive der Angehörigen. Während die Krisenkommunikation der Münchner Polizei nach der bis heute oft als Amoklauf bezeichneten Tat gelobt wurde, erfährt man hier, was alles falsch lief. Wie Eltern versichert wurde, ihr Kind sei nicht unter den Opfern. Wie man sich nach der Nachricht, es sei wohl doch tot, sofort von ihnen abwandte. Die rechtsextreme Motivation des Täters blieb medial lange unterbelichtet. Als Journalistin mit Migrationsgeschichte erzählt Nabila Abdel Aziz den Podcast aus der Sicht einer, die es an diesem Tag auch hätte treffen können. Ihr monotoner Vortrag und der bisweilen umständliche Neusprech mit »nichtweißen Menschen«, die »als migrantisch gelesen« werden, machen das Zuhören bisweilen zäh. Auch die häufigen Triggerwarnungen wirken angesichts des deutlichen Titels seltsam. Hörenswert macht den Podcast vor allem Aziz’ persönliche Herangehensweise und das Herausarbeiten des Täterprofils, ohne dessen Selbststilisierungsversuchen auf den Leim zu gehen. ||

What the Fuck – Whatever Happened to Ken Jebsen

Der Podcast »What the Fuck – whatever happened to Ken Jebsen«, produziert von Studio Bummens und K2H, beschäftigt sich mit einem einstigen Moderator des RBB, der schon zu seiner öffentlich-rechtlichen Zeit mit Verschwörungstheorien von sich reden machte – und später auf sogenannten Mahnwachen für den Frieden sowie jüngst bei Querdenkerdemos damit fortfuhr. Am Lebensweg Jebsens und im Gespräch mit früheren Kollegen arbeiten die Produzenten Entwicklung und Persönlichkeit eines offenbar ehrgeizigen Mannes heraus. Frühere Mitstreiter loben die Schlagfertigkeit Jebsens. Das aufwendige Sounddesign im Stile amerikanischer Vorbilder wie »Serial« oder »This American Life« vermag aber nicht zu verdecken, dass der Inhalt mit der Form nicht ganz mithalten kann. Ein früherer RBB-Kollege meint allen Ernstes, er halte Jebsen immer noch nicht für einen Antisemiten – jenen Mann, der von einem Genozid an den Palästinensern sprach und beim RBB über die Aussage stolperte, er wisse, wer »den Holocaust als PR erfunden« habe. Dies wurde seinerseits vom RBB-Gastkommentator Henryk M. Broder aufgegriffen, dem in »What the fuck« vorgeworfen wird, er habe die Aussage »taktisch missverstanden«. Dass WTF ausgerechnet Jebsen hier mehr guten Willen zuspricht als Broder, erstaunt – ist der Podcast doch in der Bewertung von Antisemitismus deutlich freigiebiger, wenn es später um die Querdenker geht. Trotzdem bietet die süffig erzählte Produktion auch jenseits ihres Protagonisten einen interessanten Überblick über die Milieus, in denen seine Mythen so großen Anklang finden. || AK

Auch zu hören bei: ARD Audiothek, Radio Eins, Podigee, …

Weitere Podcasts, ausgesucht von uns (Dezember 2020)

Raus aus der Depression

Über psychische Krankheiten zu sprechen scheint, jedenfalls in den Medien, zunehmendleichter zu fallen. Komiker wie Kurt Krömer erzählen dort offen von ihren Erfahrungen. Der Podcast »Raus aus der Depression« wird von Harald Schmidt präsentiert, den man eher mit Ironie und »Traumschiff« in Verbindung bringt. Er ist seit vielen Jahren Schirmherr der Deutschen Depressionshilfe und moderiert hier zurückgenommen und kein bisschen sarkastisch. Das Format kommt ganz ohne Produktionspomp aus und folgt einem denkbar einfachen Prinzip: In jeder Folge kommt ein mehr oder minder bekannter Gast zu Wort, spricht über seine Erfahrungen mit der Depression. Walter Kohl spricht über die Selbsttötung seiner Mutter und seinen eigenen Suizidversuch, Musikjournalistin Miriam Davoudvandi über ihre schon in der Jugend beginnende Krankheit. Am Ende jeder Sendung ordnet der Psychiater Professor Ulrich Hegerl für Schmidt und die Hörer die Berichte der Gäste fachlich ein, gibt praktische Hinweise für die Behandlung, grenzt Psychoanalyse, systemische Therapie und die laut ihm für Depression besonders geeignete kognitive Verhaltenstherapie kundig voneinander ab. || AK

Nach den Podcasts lohnt sich auch ein Blick in die aktuelle Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

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