Lange dominierte das Laisser-Faire im Umgang mit Daten. Doch digitale Unmündigkeit kann sich niemand mehr leisten. Eine Tagungsreihe in Tutzing geht der aktuellen Entwicklung auf den Grund.

Evangelische Akademie Tutzing, Foto (c) Ralf Dombrowski

Menschen gehen gegen Upload-Filter auf die Straße. Sie protestieren gegen die Aufsaugung und kommerzielle Verknüpfung ihrer Daten zu intransparenten Personenprofilen durch Internetunternehmen, sie wehren sich gegen ein ebenso undurchsichtiges Polizeiaufgabengesetz in Bayern, das Staatsschnüffelei drastisch vereinfacht. Oder positiv gesagt: Es ist etwas in Bewegung. Die Menschen beginnen zu verstehen, dass das vermeintlich so freie Internet bereits umfassend kontrolliert und von profitorientierten Firmen, datenhungrigen Staatsapparaten oder auch kriminellen Geschäftemachern dominiert wird. Es gilt Freiheit zu verteidigen, die Transparenz des Umgangs mit Daten aller Art, die digitalen Rechte des einzelnen und der Gesellschaft. Eine gewaltige Aufgabe, die mit einiger Verzögerung im Vergleich zur technischen Entwicklung nun auch im Bewusstsein der einzelnen ankommt. Und die die Evangelische Akademie in Tutzing zum Anlass genommen hat, über dieses Frühjahr hinweg mit einer Reihe von Veranstaltungen Aspekte der digitalen Menschseins in den Mittelpunkt zu stellen.

Evangelische Akademie Tutzing, Foto (c) Ralf Dombrowski

Den Anfang machte ein Wochenende, das sich mit den Facetten von »Digitalcourage« beschäftigte. Dabei ging es weniger um die wunderbare Welt des Innovativen, die die Transformation der analogen Welt ins Digitale bieten kann, als eher um eine Bestandsaufnahme eines Bedrohungsszenarios und die Möglichkeiten, sich vor digitaler Bevormundung aller Art zu schützen. Insider wie Hartmut Goebel vom Verein Digitalcourage e.V. und Robert Helling von Chaos Computer Club München beispielsweise präsentierten einzelne Schutzmöglichkeiten von sicheren E-Mails und Verschlüsselungsverfahren bis hin zu Cryptopartys, wo man sich beraten lassen kann, wobei vor allem darum ging, überhaupt ein Bewusstsein im Plenum zu schaffen, was mit Datensammlung und deren Verarbeitung möglich ist. Martin Modlinger von der Stiftung Erneuerbare Freiheit spitzte diese Positionen unter dem Gesichtspunkt der Informationsfreiheit noch zu, betonte die Bedeutung der Zivilgesellschaft auch in der digitalen Welt und leitete daraus Handlungsaufforderungen ab, die den einzelnen als aktiven, informierten Bürger in die Pflicht nehmen.

Evangelische Akademie Tutzing, Foto (c) Ralf Dombrowski

Der wiederum kann bereits auf zahlreiche Angebote zurückgreifen. Seiten wie FragDenStaat.de etwa ermöglichen es, dem einzelnen direkt mit Behörden in Kontakt zu treten und angesichts der Verpflichtungen des Informationsfreiheitsgestzes auch unbequeme Information zu entlocken. Andere Websites wie ichbinhier.eu kümmern sich um digitale Diskussionskultur im Angesicht von Trollen und Hassbotschaften. Der Digital Whistleblowing Fund unterstützt couragierte Menschen, die gravierende Verfehlungen im Arbeitsleben aufdecken , der Digital Rights Fund wiederum hilft kleinen Initiativen, die sich mit der Wahrung der digitalen Rechte auseinandersetzen. Und so kam vieles zur Sprache, doch vor allem wurde klar: Die digitale Welt erlaubt es niemandem, sich bequem zurück zu lehnen. Hartmut Goebel startete die Tagung mit einem Zitat von Albus Dumbledore: »Es kommt die Zeit, wo ihr euch entscheiden müsst, was richtig und was bequem ist«. Zwei Tage später war klar, dass der Moment gekommen ist.

Die nächste Tagung des Schwerpunkts Digitalisierung in der Evangelischen Akademie Tutzing beschäftigt sich mit dem Thema »Blockchained! Digitalisierung & Wirtschaftspolitik“ (18.-20.3.19). Mehr Informationen unter ev-akademie-tutzing.de.

 


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