Auf der Schauburg hinterfragen Jugendliche in »Bodybild!« gängige Schönheitsideale.
»Normal halt!« So soll der perfekte Mann aussehen. Die perfekte Frau auch. Doch was ist normal? Über diese Frage diskutieren 15 Jugendliche beim Aerobic. Schön in Reihe und Glied stehen sie auf der Bühne, jeder ein Fitnesstreppchen vor sich, alle im roten Trainingsanzug. Immer weiter muss es gehen, mindestens 30 Minuten Bewegung am Tag! Abwechselnd bleiben die Mädchen oder die Jungen stehen und fantasieren zwischen Hampelmann und Liegestütz über ihre Traumpartner. Schön straffe Beine, aber nicht zu muskulös, zarte aber gleichzeitig kräftige Hände. Das geht bis hin zur Haarlänge und der Herkunft von Narben. Irgendetwas Heldenhaftes muss es schon gewesen sein, oder vielleicht ein Surfunfall. Hunger und Durst sind keine Ausrede in der Muckibude. Doch als die Jugendlichen nach und nach einknicken, kommt das Konstrukt ins Wanken: Unterzucker, Zweifel, weil man nicht in das selbstentworfene Schema passt, und was ist eigentlich, wenn man schwul, bi oder trans ist?
Regisseur Daniel Pfluger und Autorin Julia Haenni entwickelten im letzten halben Jahr mit 15 Münchner Jugendlichen das Programm »Bodybild!«, das am 12. Januar in der Schauburg Uraufführung hatte. Im hauseigenen Labor LAB können Teenager und junge Erwachsene in verschiedenen Projekten erste Theatererfahrungen machen und ihre Talente erproben. Dass es ein Stück aus dieser Werkstatt auf die große Bühne und sogar ins Repertoire der Schauburg schafft, ist neu, jedoch angesichts der starken Performance kaum verwunderlich. Die Texte und Geschichten, die in »Bodybild!« teils dialogisch, teils chorisch oder singend vorgetragen werden, haben die Jugendlichen in Hintergrundgesprächen und Workshops so gesagt.
Julia Haenni hat dafür eine konsistente und spannungsreiche Form gefunden und ein Stück daraus erarbeitet. Um die Diskrepanz von Selbst- und Fremdwahrnehmung geht es und darum, welchen inneren Druck das auslöst. »Früher hatte ich einfach nur eine kleine Wampe!«, stellt ein Mädchen fest. Jetzt hängen da auch noch Selbstzweifel und Versagensangst mit dran. Gespeist werden diese von der niemals enden wollenden Bilderflut aus den sozialen Netzwerken, dem Fernsehen und Beauty-Zeitschriften, aus der genauen Beobachtung der Gleichaltrigen und elterlichen Aufforderungen wie »Kind, iss doch mal was!«. Wie soll man da als Jugendlicher überhaupt wissen, wer man ist oder wer man sein will? Wie bei all diesen Normen noch einzigartig sein und bleiben und gleichzeitig der »Norm noch aus der Ferne zuwinken«?
Die Jugendlichen diskutieren ihre Fragen und Probleme entwaffnend offen und bestechen in ihrer Aufrichtigkeit. Davon können sich auch Erwachsene eine Scheibe abschneiden, denn zu oft werden auch später noch Penisprobleme und Regelschmerzen vermeintlich galant ignoriert oder mit viel Gekicher beschämt umschrieben. Das macht »Bodybild!« zu einem wichtigen Stück, das Erwartungen mit Erfahrungen abgleicht und auf ihren Wirklichkeitsgehalt abklopft. Nie peinlich, immer mit dem Willen, Hemmungen und Unsicherheiten abzubauen. ||
BODYBILD
Schauburg| 4., 5. Feb.| 11 Uhr | 27. März| 11 und 19 Uhr
28. März| 10 Uhr | Tickets 089 23337155
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