Die whiteBOX wagt sich mit »Out Of The Box« an ein Festival, wie es München noch nicht erlebt hat.

»Aquasonic«| © Charlotta de Miranda

Irrwitz wagen. Eigentlich ist das als Maxime selbstverständlich, wenn man etwas veranstalten will, was über die Buchung von Tourneekünstlern oder auch die Inszenierung von Naheliegendem hinausgeht. Trotzdem ist inhaltliches Risiko im nicht subventionierten Kulturbetrieb selten. Das hat häufig finanzielle Gründe, aber manchmal fehlen auch die Visionen. Und das wiederum ist Martina Taubenberger ein Rätsel. Denn überall warten Ideen auf Entdeckung und Umsetzung. Seit einem Jahrzehnt ist die promovierte Kulturmanagerin auf vielen Baustellen unterwegs, berät Unternehmen, Städte und Gemeinden, konzipiert Festivals, coacht und inszeniert, kommuniziert, vernetzt, synergiert.

Als im Sommer 2016 die whiteBOX im Münchner Werksviertel als offener Kulturraum an den Start ging, übernahm sie die künstlerische Gesamtleitung und bringt seitdem eine fulminante Mischung aus Street-Art, Foto- und Lichtkunst, Ausstellungen, Education-Projekten, Klang- und Körperkunst, Performance und Nachhaltigkeit in die Stadt. Es ist ein dickes Paket der Wagnisse, jedes Mal ein Abenteuer für die whiteBOX selbst und ihr Publikum. Aber die Projekte vom Street Dance Festival und dem Jugendorchesterfestival »Auftakt« über die Interkulturelle Musikperformance »I Exist – nach Rajasthan« oder auch Aline Brugels Fotoplakataktion »Corps In Situ In City« bis hin zum »Graffitimuseum – Inventarium« oder auch dem Kompositionsauftrag »Das Leuchtturmprojekt (Epilog im Himmel)« bewähren sich und haben aus der whiteBOX in rasanter Geschwindigkeit einen zentralen Ort der Kreativkultur in München gemacht.

»Eismusik«| © Emile Holba

Und das bestärkt Martina Taubenberger und ihr Team, mit dem Festival »Out Of The Box« noch einen Schritt weiter zu gehen. Als Thema über den Veranstaltungen im Januar steht »Klingende Naturgewalten« und da wiederum ist Wasser in seinen unterschiedlichen Aggregats- und Schwingungszuständen das Zentrum. Den Ausgangspunkt bildet Terje Isungset. In den Achtzigern trommelte der norwegische Perkussionist in verschiedenen Jazzbands, war aber nicht glücklich mit den Möglichkeiten des Ausdrucks, die sich ihm boten. Für ihn war alles Klang, nicht nur das Set, das auf der Bühne stand, und so begann er, Naturmaterialien für seine Sounds zu verwenden. Isungset trommelte auf Holz, auf Fels und entdeckte zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts das Eis für sich als Klangkörper.

Zunächst nur für das Winterfestival 1999 in Lillehammer als Projekt beauftragt, entwickelte der vergängliche Werkstoff für ihn eine enorme akustische Faszination. Erste Aufnahmen entstanden, bald darauf rief er 2006 in Geilo das erste Eismusik-Festival ins Leben. Seitdem tourt er mit seinen selbst geschnitzten und geformten Instrumenten durch die Welt, als Musiker, aber auch als Botschafter für mehr Sorgfalt im Umgang mit den natürlichen Ressourcen dieser Erde. Im Rahmen von »Out Of The Box« wird er am 11., 12. und 13. Januar jeweils um 20 Uhr und zusätzlich für Kinder und Familien (12. Jan., 15 Uhr) open air auf dem Dach des Gebäudes (Hoch5) Konzerte geben, unterstützt von grandiosen KollegInnen wie der Sängerin Maria Skranes, dem Trompeter Arve Henriksen, dem Bassisten Anders Jormin und dem Gesangsensemble Trio Mediaeval. Neben den Eis-Instrumenten entsteht außerdem ein vergänglicher Skulpturenpark des französisch-schweizerischen Fotografen und bildenden Künstlers Eric Mutel, der das Dachgeschoss des Hoch5 mit zahlreichen Stelen ausstatten wird, die nach den jeweiligen Konzerten eingehend besichtigt werden können.

Den zweiten Teil des Festivals bestreiten Musiker aus Dänemark. Sie teilen Isungsets Begeisterung für Wasser, jedoch auf andere Weise. Denn das Ensemble »AquaSonic« spielt Musik unter Wasser. Dafür wurden in Zusammenarbeit mit Tiefseetauchern, Instrumentenbauern und Forschern eigens Instrumente entwickelt, die sie in verschiedenen Tanks in der whiteBOX präsentieren und spielen werden. Drei Abendkonzerte (25. bis 27. Jan., 20 Uhr) und eine Matinee (27. Jan., 11 Uhr) sind geplant, und das Hörerlebnis ist so ungewöhnlich, dass sich seit der Premiere 2016 bislang kaum jemand der Ausstrahlung von »AquaSonic« entziehen konnte.

»Space Unfolding«| © Ralf Dombrowski

Teil drei von »Out Of The Box« bezieht sich auf das Verhältnis von Klang im Raum. Über den Konzerten und Performances vom 31. Januar bis zum 2. Februar steht das Thema »Digitale Poesie«, und ein sehr unterschiedliches Team von KünstlerInnen wird diese Relationen aus verschiedenen Perspektiven einkreisen. Der Klarinettist Claudio Puntin und die Videokünstlerin Alba G. Corral loten zu Beginn (31. Jan., 20 Uhr) die Beziehungsgeflechte von Improvisation, Sound, Licht und Bild aus. Am folgenden Abend stellt der Lichtkünstler Kurt Laurenz Theinert sein »Visual Piano« (1. Feb., 20 Uhr) vor, eine Verknüpfung von Rauminstallation und Soundentfaltung, gefolgt und abgerundet von Ralf Schmids »Pyanook« (2. Feb., 20 Uhr), einer interaktiven Klangvideoperformance.

Neben diesen ungewöhnlichen Klangprojekten hat »Out Of The Box« auch sehr haptische und physische Momenten zu bieten. Denn am 19. Januar wird nebenan im Technikum gefeiert, die »Out Of The Box Dance Night« mit den drei in der heimischen Szene sehr angesagten Projekten Organ Explosion, Ark Noir und Slatec. Mit der »Pastorale re/visited« (20. Jan., 15 Uhr) wird außerdem das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks als eigenes Projekt zusammen mit Komponisten, einer Videokünstlerin und Schülern Beethovens sechste Symphonie mit den Themen Natur, Klima und Veränderung verbinden. Und die meisten der Klangkünstler laden außerdem zu Kinderkonzerten ein, schließlich gibt es genug Außergewöhnliches zu entdecken. Irrwitz, Risiko wagen: Für die whiteBOX und das Taubenberger-Team ist »Out Of The Box« das bislang verrückteste Projekt. Aber es weist über die Normalität hinaus. Jetzt kann man nur hoffen, dass es ordentlich kalt bleibt. ||

OUT OF THE BOX – KLINGENDE NATURGEWALTEN
whiteBOX / Hoch5 / Technikum
Atelierstr. 10 / Speicherstr. 26 | 11. Januar bis 3. Februar | verschiedene Zeiten
Tickets: 089 54818181

 


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