Nach den Feiertagen gleich zurück ins Kino, zu Arthaus-Highlights aus Japan und dem Iran: Jafar Panahis »Drei Gesichter« und Hirokazu Kore-edas »Shoplifters – Familienbande«.
DREI GESICHTER
Iran 2018 | Regie: Jafar Panahi | Mit: Behnaz Jafari, Jafar Panahi u.a. | 100 Minuten
Trailer
von Matthias Pfeiffer
Am Anfang dieses Films steht ein Schock. Genauer gesagt der Selbstmord eines Mädchens, deren Eltern ihr verboten haben, die Schauspielschule in Teheran zu besuchen. Ein Video davon hat sie der bekannten Schauspielerin Behnaz Jafari geschickt, die sich nun mit Jafar Panahi in ihr Heimatdorf aufmacht, um den Ereignissen auf den Grund zu gehen. Schnell kommen nämlich Zweifel, ob hier alles so wahrheitsgetreu abgelaufen ist. Schon wie bei Panahis letztem Film »Taxi Teheran« ist es auch bei »Drei Gesichter« zunächst nicht sicher, was man hier sieht. Eine Dokumentation? Ein Spielfilm? Eine Mischung aus beidem?
»Drei Gesichter« ist der vierte Film, den Panahi während seines 20-jährigen Berufsverbots verwirklicht hat. 2010 wurde der Regisseur wegen »Propaganda gegen das System« verurteilt. Trotzdem schafft er es, seine Filme außer Landes zu schmuggeln, für die er auf Filmfestivals weltweit Anerkennung findet. Nach einiger Zeit wird natürlich klar, dass dem Ganzen ein Script zugrunde liegt. Trotzdem ist »Drei Gesichter« ein dokumentarischer Blick auf die iranische Gesellschaft. Panahi zeigt den übermächtigen Einfluss des Patriarchats und veralteter Weltanschauungen. Umso beeindruckender ist es, wie er die Figuren in Szene setzt, nämlich als schrullige, oft schon liebenswürdige Charaktere. Mit Verharmlosung hat das nichts zu tun. Vielmehr lässt er alle Schubladen beiseite, um wirklichen Realismus zu präsentieren. So trägt den Film bei allem Ernst eine Leichtigkeit, aus der die Energie zur Veränderung spricht.
SHOPLIFTERS – FAMILIENBANDE
Japan 2018 | Regie: Hirokazu Kore-eda
Mit: Lily Franky, Sakura Andô, Mayu Matsuoka u.a. | 121 Minuten
Trailer
von Chris Schinke
Auf den ersten Blick ist es eine typisch japanische Mittelschichtsfamilie, aber auch nur auf den allerersten. Zwar arbeitet Vater Osamu am Bau, bringt sein Geld allerdings vor allem von seinen Gaunereien mit nach Hause. Gemeinsam mit seinem Sohn Shota begibt er sich auf Diebstahlstour in die lokalen Supermärkte. Die gestohlenen Waren werden zu einem späteren Zeitpunkt verdealt. Auf einer ihrer kriminellen Expeditionen werden sie auf ein kleines Mädchen aufmerksam. Es scheint allein zu sein, von den Eltern verlassen. Zudem zeigt die Kleine sichtbare Spuren der Misshandlung. Osamu fackelt nicht lange und nimmt das Mädchen, das von der Familie darauf den Namen Juri erhält, in seine Obhut. Juri ist fortan Mitglied dieser unkonventionellen Familiengemeinschaft, die das traumatisierte Kind einerseits liebevoll aufnimmt, andererseits jedoch ebenso wie ihren Sohn zum Stehlen abstellt. Die prekäre wahlverwandtschaftliche Idylle scheint bald schon gefährdet, als die Medien einen Suchaufruf nach dem vermissten Mädchen veröffentlichen. Zudem sieht Sohnemann Shota seine bevorzugte Rolle in der Familie durch den alle verzückenden Eindringling gefährdet.
»Shoplifters«, bei dem der japanische Regieroutinier Hirokazu Kore-eda Regie führte, gewann dieses Jahr die Goldene Palme beim Filmfestival in Cannes, und auch auf dem Filmfest München wusste das Sozialdrama sein Publikum zu bewegen. In einer Szene werden die Kids Juri und Shota von einem Ladenbesitzer bei einer ihrer Mausereien ertappt. Anstatt die beiden anzuschmieren, wendet er sich mit einem Süßigkeitenpräsent an den Jungen: »Das schenke ich euch, wenn du mir versprichst, die Kleine nicht mehr zum Stehlen anzustiften.« Es sind zarte, hingetupfte Momente wie dieser, die Kore-edas Film zu einer wahren Feier der Humanität werden lassen. Als Zuschauer ahnt man bereits, dass die Ins-Licht-Getauchtheit nicht ewig währen wird.
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