Das TamS-Ensemble segelt auf Odysseus’Fährten beschwingt durchs Mittelmeer – keineswegs ohne Tiefgang.
Der Stücktitel »Sie sinken, wir winken. Die Odyssee.« könnte abschrecken: Will man Moral-Reflexionen über ertrunkene Flüchtlinge im Mittelmeer hören? Aber das wunderbare TamS-Ensemble umschifft diese Klippe elegant, um dann doch auf den Punkt zuzusegeln. Denn zunächst geht es einfach um »Die Odyssee«. Regisseur Lorenz Seib und seine vier Schauspieler haben gemeinsam ihre eigene Nacherzählung von Homers großem Epos erarbeitet. Die ist der TamS-Natur gemäß frech und witzig, aber im Grundtenor zart, poetisch und federleicht.
»We are the champions«, grölen die vier Griechen-Sieger und recken die Beute-Trophäen: »Troja ist platt.« Da ahnen sie nicht, dass Odysseus als Einziger in die Heimat zurückkehren wird. Die meisten anderen verschlingt das Mittelmeer. Das weht zu Beginn als Vorhang aus dem breiten Guckkasten hinein ins Publikum (Ausstattung: Claudia Karpfinger, Katharina Schmidt). Ein toller Beginn, danach singen Sophie Wendt, Helmut Dauner, Axel Röhrle und der Musiker Neil Vaggers sanft ein kroatisches Volkslied mit dem Refrain »Mare, mare, mare«. Das bedeutet zwar kroatisch Mädchen, macht aber nichts. Das Meer hat Lorenz Seib inspiriert, dazu einen passenden Stoff zu suchen.
So spielt und erzählt das Team die Stationen der Odyssee. Bedröhnt sich bei den Lotos-Essern, blendet den Zyklopen Polyphem. Dieses Verbrechen wird in einer Talkshow verhandelt: Odysseus (Axel Röhrle) verteidigt sich gegen Polyphem (Neil Vaggers) und dessen Vater Poseidon (Sophie Wendt), ein Experte (Helmut Dauner) kommentiert trocken. Von Insel zu Insel durchpflügen sie das Meer: Beim Windgott Aiolos müssen sie Blockflöten spielen, Kirke (Wendt) bewirtet sie rotperückt und hochkomisch mit griechischem Salat. Man spielt Schiffe versenken, und was man nicht spielen kann, liest man aus dem Original vor. Im Hades tauchen dann die toten Flüchtlinge auf – und die Gedanken dazu. Die sind sehr ernst und ernst gemeint, kommen aber nicht schwergewichtig daher, sondern fügen sich unaufdringlich, doch eindringlich in den Kontext. Der behält auch dank vieler ruhiger Lieder eine heitere Leichtigkeit. ||
SIE SINKEN, WIR WINKEN. DIE ODYSSEE.
TamS-Theater| Haimhauser Str. 13 a | bis 24. Nov.
Mi bis Sa 20.30 Uhr | Tickets: 089 345890 | tams@tamstheater.de
Das könnte Sie auch interessieren:
Gier unter Ulmen: Eugene O'Neills Stück am Residenztheater
Kindertheater im Dezember: »Elias Revolution«, Koop3
Theaterakademie August Everding: Tag der offenen Akademie
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton