Die Schauspielerin Eva Löbau kennt man in München als Teil des Performancekollektivs »Die Bairishe Geisha«. Nun kehrt sie als neues Ensemblemitglied der Kammerspiele zurück.
Die Papierhandtücher im Münchner Stadtcafé sind weder nachhaltig noch saugfähig, aber Werbeträger. Und während im Damenklo die eine auf die andere wartet, lässt es sich gemeinsam beömmeln über das blau auf weiß prangende Versprechen: »Du willst ins Fernsehen? Wir machen’s möglich!« Eva Löbau, die drinnen gerade die Klospülung drückt, ist ganz happy, dass sie diese Aufschrift wiedergefunden hat.
Und nicht nur sie. Kann man doch daran prächtig aufdröseln, wofür diese Schauspielerin steht. In München, wohin sie in dieser Spielzeit als Teildes Kammerspiele-Ensembleszurückkehrt, trat Löbau vor etwa 18 Jahren der von Judith Huber gegründeten freien Performancegruppe »Die Bairishe Geisha« bei. Das »spartenübergreifende Langzeitprojekt« trägt bis heute den Anspruch vor sich her, die Geisha »als urbane Mythengestalt im kollektiven Gedächtnis verankern« zu wollen und ließ zu seinen Hochzeiten aus der Kollision bayerischer und japanischer Kultur in Sprache, Kostüm und Mentalität wunderbare ästhetische Funken sprühen. Mit anarchischen Performances von der Erfolgsproduktion »Stüberl: Eingänge zur Hölle« bis zu »Und ich weine, wenn ich will« beackerte die »Geisha« die Rückseite dessen, was man sonst so zwischen München und Tokio zu sehen bekommt.
Während man dort mit lackierter Oberfläche an Großstadtbars flirtet, widmete sie sich im buchstäblichen und übertragenen Sinne den Kloszenen des Lebens. »Der Grund, warum man Künstler geworden ist, hat ja viel mit der Einstellung zur Toilette zu tun«, sagt Löbau und lacht. Sich gemeinsam eines Themas anzunehmen, das einem auf den Nägeln brennt: Das kam der jungen Schauspielerin entgegen, die damals gerade ihr erstes (und bis dato einziges) festes Engagement an einem Stadttheater absolviert hatte. Das war 1997 bis 99 in Pforzheim und fühlte sich auch deshalb »wie eine Niederlage« an, weil Löbau eigentlich mit einer Clique, die sich beim Studium am Wiener Max Reinhardt Seminar gefunden hatte, eine freie Gruppe gründen oder zumindest die Provinz aufmischen wollte wie der junge Castorf seinerzeit Anklam. Dochweil das nichts wurde und sie nicht klarkam mit dem frag- und kritiklosen Abarbeiten des klassischen Rollenkanons, fühlte sie sich »in Pforzheim geparkt« und sammelte an der Filmakadamie Ludwigsburg erste Dreherfahrungen in Studentenprojekten, wo ihr schon ihr Leinwanddebüt 1999 eine Auszeichnung als beste Schauspielerin bescherte.
An Matthias Lilienthals Münchner Kammerspielen gefällt Eva Löbau, dass es »ein kontroverses Haus« ist – und »dass ich hier Projekte machen kann, die ich mir sonst einzeln an Land ziehen müsste«. Auch mit Leuten, »die sonst außerhalb meines Radius gewesen wären«, wie etwa Philippe Quesne, dessen »La mélancolie des dragons« sie »über Jahre inspirierte« – oder Rabih Mroué, für dessen Vietnam-Projekt sie fest eingeplant ist. »Das fühlte sich nicht danach an, als sei ich hier nur als Facharbeiter in Schauspiel gefragt,sondernsehr nach Kollaboration«, sagt sie nach dem ersten Gespräch mit ihm. Und weil ihr das wichtig ist, hofft sie auch, an den Kammerspielen künftig »immer mal wieder was aus den eigenen Taschen zaubern zu dürfen« wie etwa Andreas Ammers Livehörspiel über die Flucht Ludwig III. vor der Räterepublik nach Österreich. Oder – wer weiß – vielleicht auch mal ein Spin-off ihres vor einem Jahr am Theaterdiscounter Berlin herausgekommenen Recherchestücks über ein sowjetisches Erholungsheim in Georgien.
Doch die Frau, die dabei als Autorin, Regisseurin und Performerin fungierte, ist auch eine große
Zweiflerin und – wie sie selbst sagt – »ein sehr melancholischer Mensch«. Das Engagement an den Kammerspielen wollte sie auch als Gegengewicht zum »Tatort«, wo sie seit 2017 die Schwarzwald-Kommissarin Franziska Tobler spielt. »Die Idee war, dass ich mich wieder sammeln kann«. Jetzt fragt sie sich manchmal, ob es sie nicht noch mehr zerreißt. Und dann sitzt sie in ihrer neuen Münchner Wohnung und räsoniert: »Findet das Ganze jetzt nur statt, damit ich hier Möbelkataloge wälze?« Und während sie das sagt, stellt man sich unwillkürlich vor, wie die »Geisha« aus diesen Fragen ein Stück machen würde.
Wohnen, sagt sie, sei ihr wichtig. »Aber ich witzle immer, dass ich in beruflicher Hinsicht obdachlos bin. Wie jemand, der gar nicht mehr in festen Häusern schlafen kann.« Löbau hat schon so Diverses wie Jonathan Meese in Lilienthals HAU gespielt und eine Tracy-Letts-Komödie im Theater am Kurfürstendamm. Und wie sie da so vor einem in der Spätsommersonne sitzt, ist die 1972 im schwäbischen Waiblingen Geborene so normal, wie es nur geht. 1,60 groß, ganz ungeschminkt hinter der hellen Brille, kein Schmuck, Lackreste auf den Nägeln: eine, die keinen Blick zu viel in den Spiegel wirft, auch wenn das, was es da zu sehen gäbe, eine prächtige Grundlage für alle Verwandlungen ist. Auch die Femme fatale auf High Heels habe sie schon ausprobiert, verriet sie erst kürzlich dem Fachblatt »Theater heute«. Zur Gewohnheit wird ihr das sicher nicht. Ihre Kommissarin entzieht sich dem im »Tatort« inflationär gewordenen Schlagfertigkeits-Contest durch Unaufgeregtheit, ersetzt Zynismus durch stilles Mitgefühl. Was angenehm ist – und sich irgendwie richtig anfühlt.
Denn – wie sie selbst sagt: »Die Jagd nach der nächsten Pointe missachtet das Genre«. Erst vor wenigen Wochen konnte man Eva Löbau wieder im Fernsehen sehen. In der Klamotte »Familie Lotzmann auf den Barrikaden« spielt sie eine nervige linke Aktivistin. Sie selbst empfiehlt Filme wie Maren Ades »Wald vor lauter Bäumen« von 2003. Experimentelleres wie Franz Müllers 2014 beim Münchner Filmfestival gezeigtes »Worstcase Szenario«, worin die Entstehungsbedingungen eines Indiefilms beleuchtet werden. Oder »Reise nach Jerusalem« von Lucia Chiarla, der am 15. November in die Kinos kommt und von der ersten Drehbuchidee bis zur Realisierung so lange in der Pipeline hing, bis das Team ihn schließlich »very low budget« auf eigene Faust machte. Und dann gewann die »Reise« beim Festival »Achtung Berlin« den Preis für den besten Film. Und Eva Löbau (mal wieder) den für die beste Schauspielerin. Sie spielt darin eine Frau, »die sich so durchwurschtelt«, die unter dem Deckmantel der Freiberuflichkeit eigentlich arbeitslos ist, dazu noch Pech hat, aber dennoch unverdrossen bleibt. Eine typisch löbausche Sisyphos-Figur wie die Teenagermutter in »Ich werde dich auf Händen tragen« oder die Lehrerin aus der schwäbischen Provinz in »Wald vor lauter
Bäumen«. Eva Löbau legt an solche Figuren weder den Weichzeichner an noch verrät sie sie an die Lächerlichkeit. Beste Aussichten für München! ||
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