Die Zukunft des Schwere Reiter ist ungewiss. Der langjährige kreative Kopf der Musik, Karl Wallowsky, hat jetzt seinen Hut genommen.

Karl Wallowsky hat experimenteller Musik in München auf die Sprünge geholfen © Ralf Dombrowski

Es soll weitergehen, irgendwie, vielleicht im neuen Jahr, irgendwo, vielleicht in einem Ersatzbau auf der Freifläche vor der Halle, mit anderen, – aber nicht mehr mit Karl Wallowsky, dem die Situation des chaotischen Übergangs in eine unsichere Zukunft zu wenig Planungssicherheit verspricht, um ernsthaft als Kulturveranstalter agieren zu können. Tatsächlich ist die Geschichte rund um das Fortbestehen des Kulturtreffpunktes Schwere Reiter ein Musterbeispiel für Organisationswirrwarr. Erst hieß es Umbau, es wurde geplant. Dann kam quasi aus dem Nichts die Lokalbaukommission und meinte, man solle zusperren, Brandschutz und so. Das Kommunalreferat hielt dagegen, es gab weitere Umbaupläne und eine Verlängerung des Betriebs bis Oktober. Wenig später lockte auf Betreiben des Kulturreferats die Option, man würde einen Ersatzbau hinstellen.

Wallowsky organisierte einen Architekten, der einen passenden Entwurf anbot. Wieder folgten Besprechungen, Vertagungen im Stadtrat bis September, erneute Verlängerungen als Aussicht. Zwar wurde immer schon improvisiert, aber nie ohne klare Perspektive am Horizont. Und so beschloss Karl Wallowsky, eigentlich Überzeugungstäter in Sachen experimentelle Musikkultur, nach elf Jahren als Programmmacher und kreativer Kopf hinter der Musik im Schwere Reiter nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Für die Stadtkultur ist das bitter. Denn Wallowsky hat sich als Spätberufener der Veranstalterszene mit immenser Energie und akkumulierender Sachkenntnis einen Namen gemacht. Nachdem er 27 Jahre bei Siemens als Ingenieur, Trainer und Produktmanager für Datenvernetzungsanlagen gearbeitet und mit der Reihe »Kunstbahnsteig« seit 2006 nebenbei Kulturprogramme organisiert hatte, bot ihm ein Businessdeal der großen Player die Möglichkeit, als Veranstalter durchzustarten. Denn Nokia kaufte die Telekommunikationssparte von Siemens, man bot den Mitarbeitern eine Abfindung, und Wallowsky ergriff die Chance, sich den Traum vom unterfütterten Neuanfang zu erfüllen. Die Falkenberg Schule verließ damals die Räume in der Dachauer Straße, das Pathos Transport Theater, die Tanztendenz und der Newcomer taten sich zusammen, präsentierten ihr Projekt im Kulturreferat, das die flugs gegründete GbR daraufhin machen ließ.

»Es war ein glücklicher Zufall, auch für die Stadt, denn die haben relativ preiswert ein sehr umfangreiches Programm geboten bekommen«, resümiert Wallowksy in der Rückschau. »Ich stand ja auch zwischen dem reinen Künstler und dem Kunstgeschäft, konnte Kalkulationen recht ordentlich erstellen, Werbung organisieren. Dadurch hat mich die Stadt als Partner akzeptiert, obwohl ich kein Verein war. Und ich habe das Programm immer inhaltlich ausgewählt. Da hat niemand gespielt, von dem ich das Gefühl hatte, dass es nicht passt. Und ich bin da hineingewachsen. Vor allem am Anfang hat mir Angela Dauber von der Tanztendenz sehr geholfen. Wenn das nicht gewesen wären, hätte ich wahrscheinlich nie die kritische Masse erreicht, genügend Menschen zu kennen, um das Schwere Reiter anfangen zu können.«

Doch die Leute kamen, erst die Musiker und Künstler, dann das Publikum, schließlich auch wichtige Partner, wie 2012 erstmals die Münchener Biennale für neues Musiktheater. Musikerkollektive wie das ICI Ensemble konnten dort experimentieren, Reihen wie »verhört?« gaben Komponisten ein Forum. Es gab Kooperation mit der Münchener Gesellschaft für Neue Musik, dem Jazz Lines Festival, über die Jahre zahlreiche Einzelprojekte zum Musiktheater, Tanztheater, Konzerte, Lyrikprogramme, Uraufführungen, Performances, szenische Installationen. Es passierte etwas, was München so nicht hatte, was aber immer massiven Einsatz bedeutete, für Karl Wallowsky selbstverständlich, solange die anderen mitmachten. Das ist so jetzt nicht mehr sicher, also geht der Mann, der viel bewegte, zufrieden mit vielem, was er geschafft hat, aber auch ein wenig wehmütig, angesichts der Möglichkeiten, die es noch gäbe, denn »das Schwere Reiter ist ein wunderbarer Klangraum, auch ein mystischer Raum«. Hoffentlich verstehen das auch andere, bevor Abrissbirnen Tatsachen schaffen. Es gebe immerhin jemanden als Nachfolge, heißt es im Kulturreferat. Genaueres bringt der Herbst. ||

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