Olafur Eliasson schuf einen Dufttunnel in Gütersloh, einen Farblicht-Horizont bei der Biennale in Venedig, Wasserfälle in Manhattan und gelben Nebel in Wien. Die Graphische Sammlung zeigt den weltberühmten Wunder-Künstler nun erstmals als Zeichner.
Leicht und elegant schwingt sich die Endlostreppe in die Höhe. Endlos deshalb, weil sie oben nach einer Kurve auch gleich wieder hinunterführt. Dieses gut 9 Meter hohe Stahlobjekt in Form einer Doppelhelix hat sich Olafur Eliasson einfallen lassen. Und dass es im Innenhof der Münchner Niederlassung einer Unternehmensberatung steht, mag gewisse Deutungen nahelegen: vom Auf und Ab der Börsenkurse bis zum Irrsinn, immer noch an grenzenloses Wachstum zu glauben. Ob solche Bezüge beabsichtigt sind, lässt Eliasson natürlich offen. Man muss das auch gar nicht wissen, um von der kreisenden Dynamik dieser Riesenskulptur auf der Schwanthalerhöhe angesprochen zu werden. Anders ist es kaum zu erklären, dass die »Umschreibung«, so der Titel, Eliassons erfolgreichste Werke im Internet anführt.
Mit seiner Kunst können alle etwas anfangen. Selbst diejenigen, die mit dem Zeitgenössischen fremdeln, goutieren seine Stahlgeflechtkugel »Sphere« (2003) in den Fünf Höfen oder das spiralförmige »Wirbelwerk« (2013) im Lenbachhaus. Das ist kaum anders, wenn Eliasson mitten in Manhattan mit künstlichen Wasserfällen verblüfft oder aufs Dach des Kunstmuseums in Aarhus ein begehbares Regenbogen-Panorama pflanzt. Deshalb sind seine Objekte und Installationen gerade im öffentlichen Raum sehr gefragt. Was dem letztlich zugrunde liegt, zeigt jetzt die Graphische Sammlung in einer umfassenden Ausstellung in der Pinakothek der Moderne. Mit dem schönen Nebeneffekt, dass man den isländisch-dänischen Künstler von seiner wenig bekannten, dafür entscheidenden Seite als Zeichner kennenlernt.
Dieser Konstrukteur wundersamer Welten geht nicht ohne Skizzenbuch aus dem Haus, jeder Einfall wird gescribbelt. Das demonstrieren besonders die »Studio sketches«, hingeworfen mit schnellem Stift und versierten, kraftvollen Strichen. Damit prüfe er, sagt Eliasson, ob ein Objekt überhaupt etwas in der Welt bewegen könne. Wobei diese ständige Erkundung mit dem Griffel nicht von Ungefähr kommt. Olafur, das Künstlerkind, wurde mit zehn Jahren in den Zeichenunterricht geschickt – als er 14 war, konnte er den menschlichen Körper in sämtlichen Details wiedergeben. Das sitzt tief in ihm und ist durch kein noch so ausgefeiltes CAD-Programm je zu ersetzen, meint Eliasson.
Doch während die »Sketches« neben Vitrinen voller Miniatur-Modelle vom Künstler als Ideenschleuder auf Hochtouren erzählen, überzeugt der Großteil der rund 50 präsentierten Werke durch eine geradezu poetische Ruhe. Erst recht, wenn Wasser ins Spiel kommt und für homöopathisch zarte Pigmentkonzentrationen sorgt. Die hintereinander gestaffelten Kreise und Ellipsen in feinsten Fliedertönen auf gräulichem Grund vermitteln einen subtilen Lichteinfall – und heißen doch nur »nothing special«. Das Bemerkenswerte liegt wieder einmal im scheinbar Normalen.
Das Wasser kann mit den Pigmenten aber auch ganz eigentümliche Wege gehen wie in den vor kurzem entstandenen »Glacial Landscapes«. Millionen Jahre altes Eis wurde in der Größe eines Tennisballs auf Papier gesetzt, eine Espressotasse voll Tusche und Aquarellfarbe dazugegeben, und schon übernahm der langsam schmelzende Gletscherbrocken die Aufgabe des Malers. Das Bild hat sich quasi selbst gemalt und erinnert an eine Ansicht der guten alten Erde aus dem Weltall. Maßgebend ist die Versuchsanordnung, und nicht nur in dieser Werkserie. Auch die Erschütterung im fahrenden Zug kann – bei entsprechender Konstellation – zu ansehnlichen Bildern führen. Wenn man zum Beispiel eine mit Tusche präparierte Kugel
auf Papier rollen lässt. Sonntags (15–16 Uhr) können Besucher die Zeichnungsmaschine »Endless Study« selbst ausprobieren. Eliasson macht übrigens kein Geheimnis aus den Rezepturen, die seine Illusionen erzeugen. Überhaupt gibt die Wasser-Farben-Schau bemerkenswerte Einblicke ins Laboratorium des 51-jährigen Multikönners, der sich immer noch ein bescheidenes Auftreten bewahrt hat. Dabei dirigiert er in seiner Berliner Experimentierfabrik inzwischen 120 Mitarbeiter, von der Ingenieurin bis zum Buchhalter.
Umso interessanter ist es, dass die Münchner Schau mit einer erweiterten Arbeit aus Studententagen beginnt. 1991 hat Eliasson Titelblätter von Zeitungen in einem Kopenhagener Café aufgehängt. Nichts Außergewöhnliches, jeden Tag wurde »Glacial Landscapes«. Millionen Jahre altes Eis wurde in der Größe eines Tennisballs auf Papier gesetzt, eine Espressotasse voll Tusche und Aquarellfarbe dazugegeben, und schon übernahm der langsam schmelzende Gletscherbrocken die Aufgabe des Malers. Das Bild hat sich quasi selbst gemalt und erinnert an eine Ansicht der guten alten Erde aus dem Weltall. Maßgebend ist die Versuchsanordnung, und nicht nur in dieser Werkserie. Auch die Erschütterung im fahrenden Zug kann – bei entsprechender Konstellation – zu ansehnlichen Bildern führen. Wenn man zum Beispiel eine mit Tusche präparierte Kugel auf Papier rollen lässt. Sonntags (15–16 Uhr) können Besucher die Zeichnungsmaschine »Endless Study« selbst ausprobieren. Eliasson macht übrigens kein Geheimnis aus den Rezepturen, die seine Illusionen erzeugen. Überhaupt gibt die Wasser-Farben-Schau bemerkenswerte Einblicke ins Laboratorium des 51-jährigen Multikönners, der sich immer noch ein bescheidenes Auftreten bewahrt hat. Dabei dirigiert er in seiner Berliner Experimentierfabrik inzwischen 120 Mitarbeiter, von der Ingenieurin bis zum Buchhalter.
Umso interessanter ist es, dass die Münchner Schau mit einer erweiterten Arbeit aus Studententagen beginnt. 1991 hat Eliasson Titelblätter von Zeitungen in einem Kopenhagener Café aufgehängt. Nichts Außergewöhnliches, jeden Tag wurde gewechselt. Dann brach der Irak-Krieg aus, und plötzlich verwandelte sich das Café in einen politischen Debattierclub. Im Vitrinengang zur Ausstellung kann man nun wieder verschiedene Zeitungstitel zwischen »Bild« und »New York Times« lesen. Doch diesmal sind sie mit Spiegeln konfrontiert, die durch aufgedruckte Ornamentcluster wie Labyrinthe wirken, in denen sich das Auge schnell verliert. Man könnte der Welt abhandenkommen, wären da nicht die sich spiegelnden Schlagzeilen. »Erstaunen über Trumps« weiß Gott, was schon wieder, verkündet die »FAZ«, und das Gehirn addiert gleich noch einen strohblonden Drei-Wetter-Taft-Haarhelm ins Ornament. Albträumen am helllichten Tag, nennt man das. Aber Eliasson hat ja auch nicht behauptet, ein Romantiker zu sein. Das wird ihm nur dauernd unterstellt. ||
OLAFUR ELIASSON – WASSERfarben
Graphische Sammlung in der Pinakothek der Moderne
Barerstr. 40 | bis 2. September| Di–So 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr
Führungen: 8./25. August, 2. Sept., 15 Uhr; 23./30. August, 18.30 Uhr | Gratis-Kinderführung (5–12 Jahre): 11. August, 15 Uhr | Jugendworkshop (13–17 Jahre): 29. August, 14.30 Uhr
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