Pınar Karabulut präsentiert im Volkstheater einen feministischen Lorca-Abend.
Rund um ein wasserloses Bassin stehen sechs verschleierte Bräute stumm auf der Bühne. Erst leise, dann lauter fangen sie an zu summen und singen, davon zu träumen, mit Rihannas »Desperado« auf und davon zu laufen. Mit einem vielversprechenden Auftakt beginnt Pınar Karabuluts Inszenierung »In den Straßen keine Blumen«, in der sie eine feministische Lesart von Federico García Lorca versucht.
Dafür hat Charlotte Roos vier Stücke des spanischen Dramatikers und Lyrikerscollagiert, die die Regisseurin mit eigenen Texten ergänzt. Zwischen mit Leintüchern verhängten Gitterwänden (Bühne: Johanna Stenzel) sehen wir in einem nicht leicht zu durchblickenden Szenen-Medley die Tragödien von Frauen in einem rigiden patriarchalischen System: Yerma (Luise Deborah Daberkow) verzweifelt in einer unglücklichen Ehe an ihrer Kinderlosigkeit und wird zur Mörderin. Eine Braut (Pola Jane O’Mara) brennt mitihrem früheren Geliebten durch und löst ein Blutbad aus. Doña Rosita (herausragend: Laina Schwarz) wartet ihr Leben lang auf die Rückkehr ihres Verlobten. Bernarda Alba verwandelt ihr Haus in ein Gefängnis für ihre Töchter.
Doch das alles bleibt uns sehr fern. Karabulut macht weder Lorcas von einer repressiven Moral und Geschlechterordnung regierte Welt sichtbar, noch überführt sie seine Geschichten in die Gegenwart. Ihre Figuren agierenin einem gesellschaftlichen Niemandsland, in dem nichts wirklich Gewicht hat. Wenn Rositas Mann erklärt »Die Schafe gehören ins Gatter, die Frauen ins Haus«, klingt das enauso albern lustig, als wenn die Hausangestellte Yermas Verlobtem nachruft: »Genitalherpes soll ihm wachsen!« Beschwörungen von Lorcas Poesie durch spanische Wortreihungen wechseln sich ab mit witzigen Persiflagen, schrillen Comicbildern und hysterisiertem, klamaukigem Spiel. Nur selten, in einigen schönen stillen Momenten spürt man die innere Not der Figuren. Es wird viel geschrien. Doch Schreien allein erzeugt keine emotionale Intensität. Statt die Dramen neu auszuleuchten und den Genderdiskurs klug in diese zuintegrieren, behilft sich Pınar Karabulut mit unvermittelten feministischen Einschüben wie einer rauchumwaberten Messe »im Namen der Mutter, der Tochter und der heiligen Klitoris«.
Nach der Pause aber gewinnt die Inszenierung an Eindringlichkeit. Wenn Bernarda Albas Töchter in ihrem Gefängnis in manische Zuckungen und von verbotenem Verlangen aufgeladene wüste Beschimpfungen verfallen und die trotzig liebeskranke Adela (Nina Steils) schließlich tot in der Gitterwand hängt, ist man plötzlich hellwach. Entsetzt starren die Frauen nach draußen auf eine vom Bürgermob gejagte Sünderin, ehe sie im Chor brüllend deren Tod fordern. Da zeigt Karabulut endlich, wie intelligent und konzentriert sie inszenieren kann. Nur leider bleibt Margot Gödrös als mütterliche Despotin, die die Maximen ihrer eigenen Unterdrückung verinnerlicht hat und bejaht, zu schwach. Ihrem Aufruf zum Gebet folgen die rebellischen Töchter auf ihre ganz eigene Weise. Zu Glockenläuten singen sie mit gefalteten Händen Khia-Lyrics: »Lick it good/ Suck this pussy like you should«. Am Ende liest uns Gödrös den Mythos über die Wiedererweckung der Fruchtbarkeit vor, in dem Baubo ihre Vulva entblößend die trauernde Demeter zum Lachen bringt. Wer mag, kann da eine assoziative Gedankenkette zur Lustfeindlichkeit in Lorcas erstarrter, sterbender Gesellschaft spinnen. Allein, was uns Pınar Karabulut damit hier und heute erzählen will, wird wie bei so vielem an diesem Abend nicht recht klar. Schade. ||
IN DEN STRASSEN KEINE BLUMEN
Volkstheater| 12., 13. Juli| 19.30 Uhr
Tickets: 089 5234655
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