Regisseurin Chloé Zhao rückt in »The Rider« einem urmännlichen Machismo zu Leibe: dem Rodeo. Ihr gelingt dabei ein anrührender Neowestern mit magischen Bildern.
»Sei ein Mann, Junge, reiß dich zusammen!«, hat der Ex-Rodeo-Champion Brady (Brady Jandreau) oft genug von seinem Vater gehört. Doch was heißt das heutzutage überhaupt: Mann-Sein? Und in welchen Teilen Amerikas gehören diese überholten Binsenweisheiten immer noch zum Repertoire der Standardfloskeln? In Chloé Zhaos herausragendem Männlichkeitsdrama »The Rider« sitzt der echte Brady Jandreau plötzlich wenig ruhmreich als Aushilfskraft an der Supermarktkasse – und spielt im Grunde sich selbst und seine Auf- und Abstiegsgeschichte vom hinterwäldlerischen Nobody zum gefeierten Rodeo-Star, der wortwörtlich gefallen ist: vom Pferd nämlich – und gleichzeitig aus den Herzen seiner erwachsenen Fans.
Nur ein paar kleine Jungs erkennen ihn heute noch zwischen den Regalen bei seiner täglichen Arbeit und wollen schnell noch ein Selfie mit ihm machen. »Ja, das ist er!«, sagen ihre ersten stolzen, durchaus mitleidigen Blicke gegenüber jenem schweigsamen Kerl, der seit diesem furchtbaren Abwurf eine stählerne Platte im Kopf trägt: inklusive tausend zerbrochener Illusionen. Doch genauso rasch mischt sich eben dieses »Ja, das war er!«-Gefühl in die Mienen seiner jungen Ex-Anhänger. Peter Lichts traurig-trübsinniger »Ich war mal Cowboy«-Song kommt einem da fast schon automatisch in den Sinn, wenngleich er natürlich nicht im Soundtrack von »The Rider« zu hören ist, ebenso wenig wie David Bowies Großschmachtballade »This is not America – Shala la la la« … Obwohl beide Songs doch die zart-herbe Poetik in Chloé Zhaos bereits in Cannes gefeiertem und mit dem Werner-Herzog-Filmpreis prämiertem South-Dakota-Drama wunderbar widerspiegeln.
Denn in dieser zärtlich-wilden »Heartland«-Gegend der USA ist von Präsident Trumps hirnrissigen Eskapaden (noch) nichts zu hören, im Gegenteil: Der wirtschaftliche Aufschwung des Landes hält sich hier in bescheidenen Grenzen und Armut wie Bildungsferne sind nach wie vor weitverbreitet. Was hier scheinbar einzig zählt, ist der Rodeo-Sport – und damit auch das Erbe der historischen Cowboys mit all den Hüten, Stiefeln, Hemden und eben jenem geradezu mythischen Händchen für die »Sprache« der Pferde, die von Zhaos Kameramann Joshua James Richards in schier atemberaubende Kinomomente übersetzt wird.
Dabei begeistert gerade Brady Jandreaus Verkörperung eines im wahrsten Sinne des Wortes gefallenen Cowboys bis zum Ende hin ungemein. In nahezu jeder Einstellung ist greifbar, dass er als Schauspiellaie im Grunde seine eigene Story auf die Leinwand gebracht hat: So dermaßen authentisch, einfühlsamintim spielt er in »The Rider« diesen innerlich gebrochenen Mann gleichen Namens, dass es ein sinnlicher Hochgenuss ist, ihm dabei zuzusehen: geradezu mitzuleiden, wie er als Phoenix aus der Asche wiederauferstehen möchte. Einen interessanteren jungen US-Amerikaner, vollends im Identitätscrash, gab es länger nicht im Kino zu sehen. Zusammen mit Zhaos feinfühliger, dokumentarisch angehauchter Personenregie, die den uramerikanischen Machismo innerhalb der Rodeo-Szene wie im Familienleben gleich mehrfach in den Fokus nimmt, ist »The Rider« deutlich mehr als nur eine prächtig fotografierte »Ein Cowboy kennt seinen Schmerz«-Variante. Das ist puristisches Emotionskino auf den Spuren von Terrence Malick oder Kelly Reichardt, das ohne Scheu vor Pathos oder transzendent überhöhten »Magic Hour«-Lichtstimmungen Herz und Hirn gleichermaßen befeuert. ||
THE RIDER
USA 2017 | Regie: Chloé Zhao
Mit: Brady Jandreau u. a. | 104 Minuten
Kinostart: 21. Juni
Trailer
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