Das Filmfest München geht in seine nächste Runde, und seine Direktorin steckt voller Tatendrang – wie am ersten Tag. Auch in diesem Jahr wartet Diana Iljine mit einigen Neuerungen auf. Neben dem Fokus auf die virtuelle Realität und verstärktem Branchen-Networking gibt es auch einen neuen Hauptsponsor.
Sie sind nun schon seit 2012 Leiterin des Filmfest München. Spüren Sie inzwischen so etwas wie Amtsmüdigkeit?
Nein, kein bisschen. Ich habe hier meinen Traumjob gefunden und fühle mich nach wie vor sehr privilegiert, eine Aufgabe erfüllen zu dürfen, in der ich meine Liebe zum Film zum Ausdruck bringen kann. Wenn man so einen großen Event leitet, kann man allerdings nicht die ganze Zeit auf der Croisette flanieren oder in Venedig im Kino sitzen. Da steckt viel harte Arbeit dahinter. Aber am Ende werde ich immer wieder belohnt durch die vielen tollen Filme, die wir hier zeigen.
Ein Filmfest muss sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen, Innovationen anbieten. Was haben Sie sich für 2018 einfallen lassen?
Wir waren damals das erste europäische Filmfest, das Serien gezeigt hat, sogar noch vor Rotterdam. Damals wurde ich noch als Fernsehtussi beschimpft. Jetzt sind Serien in aller Munde. In diesem Jahr werden wir in Kooperation mit dem Medienzentrum auf »Virtual Reality« eingehen. Außerdem liegt uns der Branchenaspekt sehr am Herzen. Wir wollen Menschen besser miteinander vernetzen und zusammenbringen. Dafür haben wir eigens eine Person engagiert, die sich ausschließlich darum kümmert, wer zu wem passen könnte. Und schließlich zeigen wir »Anon« von Andrew Niccol (bekannt durch den Film »Gattaca«), einen herausragenden Film, der zwar klassisch realisiert wurde, aber die ganze digitale und virtuelle Realität offenbart, in der wir uns bewegen. Zum Film »Anon« wird übrigens parallel ein Game entwickelt. Auf diese Weise werden Verknüpfungen zu anderen Medien geschaffen.
Games sprechen ja eher die jüngere Zielgruppe an. Wie wollen Sie die Jugend auf das Filmfest locken?
Junge Menschen klappen ja ganz gerne die Laptops auf und schauen da ihre Filme und Serien an. Aber sie gehen auch für besondere Events ins Kino. Wir bieten nach »Smaragdgrün« und »Tigermilch« nun schon zum dritten Mal einen Jugendevent auf dem Filmfest an. 2018 zeigen wir »Das schönste Mädchen der Welt«. Zudem wird es eine spezielle, preisreduzierte Jugendkarte geben. Damit kann sich insbesondere die von uns avisierte Zielgruppe der 12- bis 17-Jährigen Filme aus unserem Programm ansehen, die auch wirklich zu ihnen passen.
Ein Filmfest lebt ja auch von seinen Gönnern und Geldgebern. In diesem Jahr präsentieren Sie mit dem Privatsender Tele 5 einen neuen Hauptsponsor.
Es ist auch unseren Gesellschaftern wichtig, dass wir an der Kinokasse und durch Sponsoren zusätzliche Einnahmen generieren. Mit Tele 5 haben wir einen Sponsor gefunden, der sehr filmaffin ist. Und Senderchef Kai Blasberg sieht im Filmfest München eine ideale Plattform für seine Kommunikation. Denn wir haben für ihn eine Strahlkraft und Qualität, die er so auch auf Tele 5 zurückspiegeln kann. Es ist prima, Tele 5 als Partner gewonnen zu haben. Denn das bedeutet nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch einen hohen Knowhow-Transfer in beide Richtungen.
Sie haben in den vergangenen Jahren auch viel Glanz und Glamour nach München gebracht. So etwas ist aber auch mit Kosten verbunden. Läuft man da nicht Gefahr, Abstriche beim Programm machen zu müssen?
Nein, ganz und gar nicht. Wir können mit unserem wunderbaren Team die besten Filme des zurückliegenden sowie aktuellen Jahres auswählen und sie als deutsche, wenn nicht gar als europäische oder Weltpremieren präsentieren. Ich finde, dass wir hier auf dem Filmfest über eine sensationelle filmische und thematische Qualität verfügen. Glamour und Filmkunst sind hier keine Gegensätze, sondern wir verbinden diese beiden
Aspekte. Letztes Jahr hatten wir beispielsweise Sofia Coppola und Bryan Cranston zu Gast, die beide ihre neuen hervorragenden Filme persönlich vorgestellt haben. Es muss also nicht immer ein Blockbuster sein, der die Stars nach München bringt! Und wir arbeiten da eng mit den Verleihern zusammen. Besonders schön ist es, dass das Publikum den Star wirklich erleben kann – sei es auf dem roten Teppich bei der Filmpremiere oder bei einem Filmmakers Live, wo unsere Gäste dem Publikum Rede und Antwort stehen.
Einer der Stargäste 2018 wird Emma Thompson sein. Wie kamen Sie auf die britische Charakterdarstellerin?
Wir haben das große Glück, dass Emma Thompson gerade in einem neuen Film mitspielt (»Kindeswohl«). Hier haben wir im Vorfeld eng mit dem Verleiher Concorde zusammengearbeitet. Wir sind schon seit vielen Jahren an Thompson interessiert, denn unser gesamtes Team hält sie für eine grandiose Schauspielerin, die nicht nur einen unheimlich guten Humor hat, sondern auch sehr modern und emanzipiert ist. Wir freuen uns jedenfalls sehr auf ihr Kommen!
Das Festival von Cannes ist vor Kurzem zu Ende gegangen. Wird das Münchner Publikum wieder in den Genuss der Highlights der Croisette kommen?
Wir schaffen es tatsächlich jedes Jahr, ungefähr 20 Filme aus Cannes mitzubringen. Dahinter verbirgt sich eine große Teamleistung, weil in diesem Fall alle relevanten Dinge binnen kürzester Zeit verhandelt und besprochen werden müssen. Diese Werke kommen traditionell beim Publikum und bei der Branche gleichermaßen gut an. Und auch 2018 finden sich wieder große Namen und viele Entdeckungen aus Cannes in unserem Programm.
In den letzten Jahren haben Sie die Marke von 80 000 Besuchern geknackt. Geht da noch mehr?
Wenn man Strukturen und Kanäle schafft bzw. findet, über die man noch stärker kommunizieren und vermarkten kann, dann ist da sicher noch Luft nach oben. Aber ich finde, wir sind schon bei einer sehr guten Zahl angelangt, zumal wir uns ja alle zwei Jahre mit einer Fußball-WM oder -EM konfrontiert sehen. Früher war dies noch kaum relevant, später konzentrierte sich alles auf die Deutschlandspiele und heute entwickeln sich diese Sportevents zur regelrechten Dauerparty. Hinzu kommen noch weitere kulturelle Veranstaltungen wie Tollwood, Opernfestspiele und viele mehr. Da empfinde ich es schon als Erfolg, dass wir diese Zahlen erreichen können.
Eine letzte Frage zu einem aktuellen Thema: Frauen sind ja nach wie vor unterrepräsentiert im Filmgeschäft. Was können Sie als Festivaldirektorin dagegen tun?
Wichtig ist, dass endlich ein Bewusstsein dafür entwickelt wird. Und in dem Moment, in dem man über dieses Thema spricht, entsteht auch schon ein Bewusstsein. Im TV-Bereich, den ich auch ganz gut kenne, hat Pro Quote Film bereits einiges erreicht. Und wenn man sich einmal in Ruhe hinsetzt und nach Filmkünstlerinnen Ausschau hält, dann wird man absolut fündig. Das ist wirklich gar kein Problem.||
FILMFEST MÜNCHEN
Das komplette Filmfest München Programm gibt es ab dem
11. Juni 2018 unter www.filmfest-muenchen.de
Das könnte Sie auch interessieren:
Suzume: Ab heute im Kino
The Card Counter: Der neue Film von Paul Schrader
Filmfest München 2022: Ein Blick ins Programm
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton