Das Kollektiv Raum + Zeit blickt in »Playing :: Karlstadt« der Künstlerin in die Seele.

Zweifelt an sich: Pauline Fusban als Liesl Karlstadt| © Konrad Fersterer

Stimmen, Schritte, Türenschlagen, Treppenknarzen, all das ist zu hören, wenn man im Hotel Kraft auf einem Sessel sitzt und wartet. Es klingt, als ob jede Menge Menschen da wären. Unwillkürlich sieht man sich um, aber niemand ist zu sehen. »Wer bist Du?«, fragt eine Stimme im Kopfhörer, den man aufgesetzt bekommen hat. Im Lauf der gut einstündigen Performance »Playing :: Karlstadt« wird die Frage immer wieder gestellt. Und: »Bist Du geworden, was Du werden wolltest?« Fragen, die Liesl Karlstadt, die Bühnen- und Liebespartnerin von Karl Valentin, umtrieben. Jedenfalls kreist Pauline Fusbans Liesl Karlstadt im winzigen Hotelzimmer des Mariandl um die Ungenügendheit der eigenen Existenz, um die Angst vor dem nächsten Auftritt. Dabei kommt sie einem so nahe, dass man sich nicht richtig raushalten kann. Die Rolle des Beobachters wird dem Teilnehmer an diesem Rundgang energisch entwunden.

Das Kollektiv Raum + Zeit, das aus Bernhard Mikeska, Alexandra Althoff und Bärbel Kober besteht, hat für das Residenztheater mit »Opening Night :: Alles über Laura« und »Eurydice :: Noir Désir« bereits zwei ob ihrer Intensität aufsehenerregende Performances geschaffen. Wenn man über die Maßen schreckhaft ist und einem im Dunkeln schwindlig wird, wenn man außerdem die körperliche Nähe wildfremder Menschen als grenzüberschreitend empfindet, dann ist »Playing Karlstadt« eine echte Herausforderung. In der szenischen Installation kommt noch das Gefühlt dazu, dass jemand hinter einem herschleicht. Man möchte sich unentwegt umdrehen. Vielleicht gerade weil die Stimme aus dem Kopfhörer eben das verbietet. Durch Straßen, Keller und Gänge bis in eine Art Gummizelle führt einen der Rundgang. Erst besucht man Liesl Karlstadt (Pauline Fusban), die so sehr an sich zweifelt, dass man sie schütteln möchte.

In der zweiten Station prasseln Forderungen von Alfred Kleinheinz’ Valentin auf einen ein. Im Bombenhagel seiner Liebe will der abgehalfterte Valentin die Karlstadt begraben. Aber zuerst soll sie ihm ihr Geld geben. In der dritten Station vereint Bibiana Beglau Karlstadt und Valentin in einer Person. »Einfach ins Wasser gehen und mir nicht Bescheid sagen«, nörgelt sie als Valentin, der Karlstadt nach ihrem Selbstmordversuch 1935 in der Klinik besuchte und sie dazu brachte, viel zu früh wieder auf die Bühne zu gehen. Beschimpfungen, Betteln, Flehen, Drohen, all das schüttet Beglau über einem aus, den ganzen Wahnsinn einer Liebesgeschichte, die darin bestand, dass Valentin nahm und Karlstadt gab. Sogar ihren Namen gab sie her. Erst wenn man auf dem Bogenhausener Friedhof das Herz des schmiedeeisernen Kreuzes mit dem Namen Liesl Karlstadt öffnet, kommt innen der Geburtsname der Komikerin, Volkssängerin und Schauspielerin zum Vorschein: Elisabeth Wellano. Erholung fand sie in den Bergen. Also zieht Hanna Scheibe, bei der man als teilnehmender Beobachter so etwas wie Frieden findet, die Bergschuhe an, bevor sie einen heimschickt. Am Ende kommt man sich ausgesaugt vor, und etwas Vampirisches hatte es ja, wie Valentin Elisabeth Wellano künstlerisch, finanziell und emotional ausbeutete. Das lässt »Playing :: Karlstadt« die Teilnehmer (mit-)fühlen. ||

PLAYING :: KARLSTADT
Residenztheater| 9., 11., 17. Juni, 4., 25. Juli| ab 17.36 Uhr
alle 12 Minuten | Treffpunkt Hotel Kraft | Schillerstr. 49 | Tickets: 089 21851940 | Virtual Reality Film
Mo bis Sa, 10–19 Uhr, Tageskasse am Marstallplatz

 


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