Gerd Lohmeyer bringt im Theater Blaue Maus Werner Fritschs »Mutter Sprache« zur Uraufführung.
Im September 2017 übernahm Schauspieler und Regisseur Robert Spitz das winzige Kellertheater Blaue Maus in Neuhausen von Claus und Sigi Siegert, die sich dort mit Dada-Stücken und solchen in saarländischer Mundart eine Nische geschaffen hatten. Seitdem trifft man hier auf ganz unterschiedliche Handschriften und Altersgruppen aus der freien Szene Münchens. Vom jungen Kommando Pninim, das gerade erst startet, reicht die Palette über das Rohtheater und sein philosophisch kaleidoskopartiges Theater ohne Menschen bis zu Arbeiten von Urgesteinen der freien Szene wie Eos Schopohl oder Robert Spitz selber, der zur Eröffnung das verschrobene finnische Überlebensstück »Wer Hunger hat soll Vögel gucken« entdeckte. Mit der Uraufführung von »Mutter Sprache« hat Spitz nun einen Coup gelandet. Nicht nur, weil die Werke von Werner Fritsch sonst eher an Staatstheatern uraufgeführt werden. Sondern weil das Künstlerpaar Monika Manz und Gerd Lohmeyer die Inszenierung erarbeitet.
Vor über 20 Jahren spielte Monika Manz in der Kellerkantine des Prinzregententheaters die Hanni R. In Kittelschürze und Strickjacke servierte sie den legendären Schweinsbraten der damaligen Kantinenwirtin Hermine, der Regisseur Tilman Knabe mit dieser Produktion ein Denkmal setzte. Monika Manz ging zwischen den Tischen umher, warf Geld in die Spielautomaten, setzte sich mitten unter die Gäste und erzählte vom Leben einer Magd in der Nazizeit, wo der Wert eines Menschen allein von seiner Arbeitskraft abhing.
»Schweinsbraten – härter als das Leben« war damals Stadtgespräch, und wer die Produktion gesehen hat, wird nicht daran zweifeln, dass die Rolle der Magda in Werner Fritschs »Mutter Sprache« der Schauspielerin Monika Manz wie auf den Leib geschrieben ist. Das Setting des Dramas für eine Dame erinnert nicht von ungefähr an Herbert Achternbuschs »Gust«, war der doch ein großes Vorbild für den Oberpfälzer Dichter Fritsch. Während Bauerntochter und Mühlenwirtin Magda bei ihrer im Koma liegenden Mutter wacht, lässt sie ihr Leben, das »Gehetz und Gewürg« war, mitsamt seinen Toten an sich vorbeiziehen und redet die Erinnerungen an die stumme Mutter hin. So entsteht ein Panorama der letzten 60 bis 70 Jahre, ein Mosaik aus persönlichen Tragödien und politischen Entwicklungen. Auch das Bild eines Lebens, so karg und ausweglos, wie man es heute selbst auf dem Land nicht mehr kennt. Gerd Lohmeyer bewies bereits als Wenzel in Fritschs »Cherubim« und mit verschiedenen Inszenierungen bei den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel Gespür für den Kosmos des Autors. Was ihn an der Figur Magda fasziniert, ist, »wie sie mit ihrem Schicksal, das uns Städtern heute so fremd und beinhart erscheint, hadert, es gleichzeitig stolzerfüllt annimmt, sie es einerseits als gottgewollt erträgt, andererseits listig die Widersprüche aufleuchten lässt«. Das sei von Fritsch »in einer berauschend schönen, feinst gedrechselten Sprache geschildert, in der auch Platz ist, die Komik dieser wunderbaren Figur aufleuchten zu lassen.« Ohne Frage wird Monika Manz, die es trefflich versteht, zwischen Wucht und Feinsinn zu changieren, Magdas Kosmos mit ganz eigenem Leben erfüllen. ||
MUTTER SPRACHE
Theater Blaue Maus| Elvirastr. 17a | 1., 2., 6.–8., 15., 16. Juni
20 Uhr | 3. Juni| 18 Uhr | Tickets: 089 182694
karten@theaterblauemaus.de
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