Paolo Conte ist Sänger, Schelm und Philosoph. Im Januar macht er in der Philharmonie Station.
Ein Album von Paolo Conte ohne sein raues, nuschelndes Organ, diese knorrige, trockene Brummstimme, die er selbstmit dem Knarzen einer rostigen Tür verglichen hat? Man kann sich das irgendwie nicht vorstellen, aber mit »Amazing Game« ist 2016 genau das erschienen. Der italienische Cantautore, der am 6. Januar seinen 81. Geburtstag feiert, hat darauf bisher unveröffentlichte Instrumentalaufnahmen aus der Zeit nach 1990 versammelt. Einige davon sind bei freien Jamsessions entstanden, andere hat er für Theaterproduktionen komponiert. Und auch wenn sie relativ unterschiedlich sind und strukturell offener als viele seiner bekannten Lieder: Mit ihren Jazz- und Tangoanleihen, dem nostalgischen Faible für die 20er Jahre und einer großen Prise Sentimentalität klingen sie auch ohne Stimme erkennbar nach Paolo Conte.
Bei seinem Konzert am 25. Januar in der Philharmonie wird man dagegen nicht auf Contes Knarzgesang verzichten müssen, der für seine Fans mindestens genauso für Bella Italia steht wie Cappuccino, Pizza oder die Riviera. Und mit ein bisschen Glück wird er zusammen mit seiner erstklassigen Begleitband auch all seine Klassiker wie »Via con me«, »L’ultima donna« oder »Un gelato al limon« spielen. Er selbst habe nie daran gedacht, Sänger zu werden, hat der gelernte Anwalt in einem Interview gesagt, und tatsächlich ließ er zunächst lieber Adriano Celentano ans Mikro. Der landete 1968 mit Contes »Azzurro« einen Riesenhit, der bis heute unter anderem auch von Mina, Gianni Morandi, den Toten Hosen oder der italienischen Fußballnationalmannschaft intoniert wurde.
»Ich such’ ein bisschen Afrika im Garten«, heißt es im Text von »Azzurro«, der von sommerlichen Tagträumen und Fernweh erzählt. Das Lied »Un gelato al limon« handelt, der Titel verrätes, von Zitroneneis. Es geht um nichts und doch um alles. Um Sehnsucht, Liebe, La dolce vita, das aber oft gebrochen durch Melancholie und Selbstironie. Einen Snob hat man Conte genannt, und »Snob« hieß auch seine vor letzte Platte. Das nennt man charmant und mit Humor gekontert. Sein erstes Album hat Conte übrigens bereits 1974 herausgebracht. Er hat nicht nur alle Songs darauf komponiert, getextet, gesungen und am Piano eingespielt, sondern auch das Albumcover gestaltet. Das ist bis heute weitgehend so geblieben.
Als Grafiker und Maler, der er auch ist, bezieht Conte seine Inspiration ebenfalls aus dem frühen 20. Jahrhundert. Der Kubismus, Dadaismus, Futurismus, das sind seine Vorbilder. Genauso wie das Kino und der Jazz der »Roaring Twenties«, denen er 2000 mit »Razmataz« ein ganzes Album inklusive einer DVD mit 1800 Illustrationen gewidmet hat. Das bewegt sich mit der Akustik alter Schellackplatten irgendwo zwischen Musical und einer Radiorevue, in der zeittypische Charaktere wie ein Haute Couturier oder eine englische Sportswoman auftreten. Mit seiner schrillen Buntheit scheint das zum lässigen, introvertierten Troubadour nicht recht zu passen, zeigt aber genauso wie »Amazing Game«, dass hinter Contes sanftem Knarzen noch viel mehr steckt. ||
PAOLO CONTE
Philharmonie |25. Jan. | 20 Uhr | Tickets: 089 54818181
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