Wie Orte zur Zwischennutzung und orginelle Kochkunst zusammenhängen, das zeigt Alexander Hantschke. Der Münchner Fotograf hat bereits zwei Kochbücher herausgebracht.
In Zeiten von Instagramfiltern, Foodpornhashtags, bunt lackierten und glänzendem Fotogemüse ist es ganz erfrischend zu sehen, dass sich manche Fotografen in eine andere Richtung bewegen. Alexander Hantschke ist so ein Beispiel. Der junge Münchner Fotograf, der 2015 seinen Fotodesignabschluss an der Hochschule München machte, hat sich in den vergangen zwei Jahren in Münchner Zwischennutzungslokalitäten wie der Pasinger Pappschachtel und dem Giesinger Flostern eingemietet, um mit den Menschen aus der Nachbarschaft Kochbücher zusammenzustellen. Herausgekommen sind ein Pasinger und ein Giesinger Kochbuch – zwei Herzensangelegenheiten, die er mithilfe von städtischer Förderung und Crowdfunding-Kampagnen im Netz umsetzen konnte.
Alles begann Ende 2015, als Hantschke von der Pappschachtel erfuhr, einer alten, zweistöckigen Ladenzeile am Pasinger Marienplatz. Abgerissen sollte sie werden, deshalb überließ die Stadt das Gebäude Künstlern zur kreativen Zwischennutzung. Das hatte ja vorher schon prächtig geklappt, wie etwa mit dem Puerto Giesing im ehemaligen Hertie-Kaufhaus an der Silberhornstraße oder dem Art Babel am Hauptbahnhof. So fuhr Hantschke mit dem Rad vorbei und schaute sich die Ladenzeile an: »Darin gab es einen kleinen gekachelten Raum, einen ehemaligen Backshop, der bot sich prima als Küche an«, so Hantschke. Und schon war die Idee zum Pasinger Kochbuch geboren. Flyer wurden verteilt, Leute eingeladen, losgekocht. Aus den geplanten knapp 80 Seiten wurden schnell 140. »Die Pasinger waren sehr dankbar, dass da etwas passiert ist. Die Pappschachtel wurde mittlerweile platt gemacht und ist seit knapp zwei Jahren eine riesige Baugrube.«
Das sieht in Giesing kaum anders aus: Denn auch das Flostern musste nach einem Jahr wieder schließen. Bis zum ersten November traf sich in der ehemaligen Stadtbibliothek in der Tegernseer Landstraße, kurioserweise direkt gegenüber des ehemaligen Puerto Giesings, die Nachbarschaft. Folgen soll nun, so munkelt man, ein weiterer Bioladen, den das Viertel nicht braucht. Konzerte, Tischtennisabende, Ausstellungen, Flohmärkte, Frühschoppen fanden im Flostern statt – und Hantschke fotografierte dort für das Giesinger Kochbuch. Einen mobilen Küchenwagen mit Arbeitsfläche, Schubladen und Metallrollen hat er dafür über Ebay Kleinanzeigen zusammengeschustert, der überall im Gebäude hin gerollt werden konnte. Dann kamen die Köche und Köchinnen mit ihren Lebensmitteln und Tellern in die Tela, wie die Giesinger Straße gerne abgekürzt wird, und haben gekocht.
»Ich habe höflich gefragt, ob ich helfen kann und dann auch mitgeschnipselt. Wir haben gequatscht, ich habe fotografiert und dann haben wir gemeinsam gegessen. Manchmal sind wir auch versumpft«, sagt Hantschke. Kommen konnte jeder, der wollte, abgewiesen habe er niemanden. Vorgeben, was gekocht werden sollte, auch nicht. So entstand eine Vielfalt an Vorspeisen, Hauptgerichten, Desserts – aber auch eine traditionelle afrikanische Teezeremonie haben sie durchgeführt. Insgesamt gibt es in den beiden Kochbüchern 80 Rezepte und kein einziges ist ähnlich. Vielleicht wird es ein drittes Buch geben. Wo, das möchte Hantschke noch nicht verraten: »Wichtig ist es mir, dass diese Bücher an einem Ort
entwickelt werden, mit den Leuten gemeinsam umgesetzt und im Idealfall auch gedruckt werden. So stammt alles aus einem Viertel.« ||
ANDREAS HANTSCHKE UND PETRA CASPAREK: DAS GIESINGER KOCHBUCH
144 Seiten | 15 Euro
Website
Das könnte Sie auch interessieren:
Zanele Muholi & David Goldblatt im Espace Louis Vuitton
Bill Brandt: Die Ausstellung im Kunstfoyer München
Jessica Lange: Die Ausstellung im Deutschen Theatermuseum
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton