Der Qualitätsanspruch des traditionsreichen Danner-Preises ist hoch gesteckt. In der Stuckvilla ist zu bewundern, wie die dieses Jahr Ausgezeichneten die Grenzen des Materials bis ins Extrem ausloten.
Der Danner-Preis wird seit 33 Jahren in dreijährigem Turnus vergeben und zählt zu den renommiertesten im Feld des Kunsthandwerks. Das hieß 1920, als die kinderlose Witwe Therese Danner in München die Stiftung gründete, noch »Kunstgewerbe«, und die angezielte Förderung stand in der damals lebendigen Tradition des Aufbruchs in die Moderne, als seit Arts and Crafts und im Jugendstil die künstlerische Reform des Lebens gefeiert wurde und neue Blüten und Verbindungen zwischen Handwerken und Künsten hervorbrachte. Schönes Handwerk, das doch im Zeitalter industrieller Produktion schon an den Rand gedrängt wurde. Die Ausstellung passt also gut in die Villa Stuck, wurde hier doch immer wieder Kunsthandwerk höchsten Niveaus präsentiert, zuletzt Hans Christiansen, ein internationaler Gesamtkunstwerker des Jugendstils. Und auch dem zeitgenössischen Schmuck eröffnen sich im Museum regelmäßig aufregende Präsentationsformate.
Von höchstem Niveau ist diese Schau, und das beginnt mit der Ausstellungsgestaltung. Im zweiten Stock, sind, konventionell in Vitrinen oder auf Sockeln platziert, Arbeiten der 36 Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker zu sehen, die von der Jury aus den 200 eingereichten Bewerbungen ausgewählt wurden. Die Anordnung, feine Positionierung und Ausleuchtung bringen die Schönheit der Werkstücke optimal vor Augen: Zart atmende Porzellanobjekte und -gefäße (Gerhard Lutz, Petra Bittl) und aus Leinen genähte, zu Vasenformen gefaltete Skulpturen (Geli Haberbosch). In wundersamsten Farben spielende handgeblasene, geschliffene, poliert und mattierte Rundformen aus Glas (Frank Meurer). Ein wie mit Magie aufgeladener Wasserhahn aus Messing von Stefan Schütz. Diverse Sitz- und Ruhemöbel mit eigenem Reiz (Felix Rassman, Gerhard Passens, Gunther Pfeffer), speziell die »RuheStulp« genannten Säcke aus Textilbeton von Carsten Lewerentz. Ein Fest für Augen und Sinne, und man verzichtet mit einen Berühren-verboten-Gefühl im Hinterkopf schmerzlich auf die vielen und vielfältigsten taktilen Sensationen, die hier versammelt sind.
Mythische Metamorphose
»Staubgefäße« aus Papier, Asche, Papierstaub und Erde zeigt Susanne Holzinger, die auch in der »angewanzt«-Ausstellung im Bayerischen Kunstgewerbeverein vertreten ist (siehe Seite 30). Einige aus deren Künstlerliste waren schon einmal bei Danner präsent. »angewanzt«-Kurator Gisbert Stach sowie Barbara Schrobenhauser mit ihrem glühenden Halsschmuck aus Kupfer zählen in der Stuckvilla zu den vier heuer mit dem Ehrenpreis Ausgezeichneten. Diese Besten der Besten finden sich ein Stockwerk tiefer, in jeweils einem Kabinett für die einzelne Person und Position, begleitet von Videoproduktionen, die die Objekte in Bewegung bringen. Gisbert Stach zeigt, dass seine Schnitzel ihren Platz am Körper finden, denn es handelt sich um Broschen. Sie sind wie die Flächen von Österreich, Europa, Deutschland, Bayern und der Stadt München geformt. Paniert sind sie mit Bernsteinmehl, so wie auch das Fleisch aus zermahlenem Bernstein, vermischt mit Silikon, besteht – wie Fake-Filets unter täuschender Panade.
So viel Schönes und Außergewöhnliches hat man nun schon gesehen, dann trifft man im Dämmer auf eine schwarze, verbeulte, fragmentierte Schale. Zweifel an der Wahl des Preisträgers freilich kommen hier nicht auf. Das Ausgangsmaterial von Hiawatha Seiffert sind industrielle Maschinenketten aus Stahl. Wenn man sich daran erinnert, dass man einmal beim Schmieden zugeschaut hat, bleibt einem die Spucke weg, wie hier mit Kettengliedern geschweißt, geschmiedet und das harte Metall weiter getrieben worden sein muss. Eine mythische Metamorphose – und trotz der groben Elemente eine meisterliche Amalgamierung ähnlich den Schichten des Damaszenerstahls, eine Technik, die der gelernte Metallbauer Seiffert an der Hochschule in Hildesheim erlernte. In Wien und Konstanz befasste er sich auch mit Keramik und Glas. Schon 2008 erhielt er, noch als Student, den Preis des Bayerischen Kunstgewerbevereins und den Bayerischen Staatspreis.
Schwarzes Leuchten
Auszeichnungen, speziell der Danner-Preis, bringen Sichtbarkeit, auch durch Publikationen, und finanzieren das Überleben solcher freischaffender Künstler – genauer: eine Zeitspanne, um »›frei‹ zu sein für neue Inspirationen und Ideen«, wie Seiffert sagt. Seine »Objektschalen« speichern Kraft und Zeit und strahlen sie konzentriert wieder aus: im »Spiel mit den Materialgrenzen, dem Verdichten des Stahls (Ketten / Sichtbarkeit / Blätterschichten) und dem Spiel mit den entstehenden Rissen und Durchbrüchen beim Schmiedevorgang (Licht- und Schattenwirkung)«, erläutert Seiffert. Aus dem Fundstück eines abgenutzten Industriegebrauchsgegenstands erschafft er eine organische, wuchtig bis filigran strukturierte und ornamentierte Gestalt. Die Oberfläche ist gewachst. Die Schale leuchtet im Raum, auch wenn kein Obst hineingelegt wird, sie leuchtet schwarz.
Und noch etwas schlägt einen im Halbdunkel in Bann. Christoph Leuner ist Schreiner, und er nutzt sein erlerntes Handwerk als Mittel zur Kunst. »Hohl-Körper« hat er seine zylinderförmigen Gebilde aus amerikanischem Nussbauholz genannt. Und das sind sie auch, freilich aus extrem dünnen, perfekt gebogenen Vollholzbrettern zusammengesetzt. Mit ebenso leichten aufgesetzten Quadern auf dem runden Deckel, die man herausschieben kann – sodass Zylinder und Quader als große und kleine Gefäße, etwa Trockenvasen, nutzbar werden oder sich als skulpturale Elemente variieren und komponieren lassen. Damit, notiert Juror Gottfried Knapp, kommen sie »jenem Ideal der Verbindung von Kunst und Handwerk, dem sich die Danner-Stiftung verschrieben hat, auf kreative Weise besonders nahe«. So weiß man nicht, was man mehr bewundern soll: die sprechende Schönheit der Holzstruktur, die Harmonie der Formen oder die handwerkliche Meisterschaft. ||
DANNER-PREIS 2017
Museum Villa Stuck| Prinzregentenstr. 60
bis 7. Januar| Di–So 11–18 Uhr, erster Freitag im Monat 18–22 Uhr | freier Eintritt
Kuratorenführung: 13. Dez., 17 Uhr | Der Katalog (200 S., 110 farb. Abb.)
kostet im Museum 39,90 Euro
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