In »Das Kongo Tribunal« von Theatermacher Milo Rau sucht ein fiktives Gericht angesichts von Gräueltaten nach Gerechtigkeit – aber kann es seine Versprechen auch für die Wirklichkeit einlösen?

Die Zeugen des Verbrechens sind echt – das Gericht nicht. Milo Raus »Das Kongo Tribunal« | © Real Fiction

Wo das Theater politisch wirksam werden möchte, da verlegt es sich seit einiger Zeit immer häufiger darauf, Wirklichkeiten zu schaffen, anstatt nur die vorgefundenen zu sezieren. Das »Kongo Tribunal« von Milo Rau war dafür vorletztes Jahr ein mustergültiges Beispiel. Der Schweizer Theatermacher und Regisseur berief einen Gerichtsprozess ein und hielt ihn zunächst im kongolesischen Bukavu, dann in Berlin ab. Der Vorsitzende Richter war einer der Gründer des internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Wenn das Tribunal den Raum betrat, hatte das Publikum sich zu erheben. Die Zeugen, die Experten und natürlich auch die untersuchten Verbrechen waren echt. Nur das Gericht selbst war es nicht. Es war das, was man manchmal der UNO zu sein vorwirft: Theater. Nun kommt die Dokumentation des »Kongo Tribunals« ins Kino. Sie dreht die Hierarchie zwischen der Präsenz des Tribunals im Gerichtssaal und den dort gezeigten Videodokumenten um. Eingangs folgen wir einem Mann durch ein Dorf im Ostkongo, der uns mit wütender Stimme einen Haufen Leichen zeigt. Die Soldaten, so erfahren wir bald, haben nicht eingegriffen, als die Bewaffneten kamen, die Polizei auch nicht, ebenso wenig die UN-Soldaten. Warum nicht?

Nach und nach kommt heraus, welchen Anteil das Interesse multinationaler Konzerne an den Rohstoffen der Region daran hatte, dass der Staat nichts gegen die Massaker unternahm. Der Gouverneur der Provinz Sud-Kivu sitzt im Publikum wie ein greiser König aus einem Shakespeare-Stück und brütet schweigend vor sich hin. Man erfährt zwar durch den Film, als halbwegs informierter Mensch, nichts wirklich Neues, aber die Hoffnung, dass der symbolische Prozess Veränderungen im Realen anstößt, bleibt lebendig. Solange zumindest, bis man Google bemüht und sich erkundigt, wie sich die Situation im Ostkongo seit dem »Tribunal« vor zwei Jahren entwickelt hat. Am Ende des Films stehen zwei Männer auf dem Hügel, auf dem die Soldaten saßen, während das Massaker geschah. »Ils n’ont rien fait«, sagt der eine immer wieder. »Sie haben nichts gemacht.« ||

DAS KONGO TRIBUNAL
Dokumentarfilm | Deutschland, Schweiz 2017 | Regie: Milo Rau
105 Minuten | Kinostart: 16. November
Trailer

 


Das könnte Sie auch interessieren: