Längen mit Stärken: Das Gärtnerplatztheater startet mit Franz Lehárs »Lustiger Witwe« in seine Zukunft.
Trauer muss die Witwe tragen. Durch einen goldenen Rahmen sieht man sie hinter einem Sarg hergehen. Auf der Vorderbühne sitzt kahlköpfig eine dunkle Figur und lächelt ihr zu: der Tod. Dazu erklingt aus einem Grammofon Lehárs betörender Witwen-Walzer. Ein starkes Bild, das Josef Köpplinger seiner »Lustigen Witwe« voranstellt. Die Tanzoperette ist ein potenzieller Totentanz, denn die Regie lässt die 1905 uraufgeführte Operette unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg spielen. Der Hauch des Fin de Siècle, gewürzt mit einer Prise morbiden Humors. Verkörpert wird der Tod vom Tänzer Adam Cooper, berühmt für seinen Auftritt im Film »Billy Elliot« und Star am Londoner Westend.
Doch von seinen tänzerischen Qualitäten ist wenig zu sehen. Umso mehr seine Choreografien, die nicht über das übliche »Hoch das Bein« hinauskommen. Bedauerlich bei einer Tanzoperette. Noch bedauerlicher ist die Rolle, die der Tod in den Szenen der Liebespaare spielt. Kaum singen sie ein Duett, schon steht er zwischen ihnen, quetscht sich zu ihnen aufs Kanapee und verhindert so jede Intimität. Vor allem die Titelfigur hat darunter zu leiden. Immer vom Tode umschattet, wirkt Camille Schnoors Witwe unterkühlt, hölzern, ohne jenen burschikosen Charme, der Hanna Glawari einst zur ersten selbstbestimmten Frau auf der Operettenbühne machte.
Denn in der »Lustigen Witwe« ist sie es, die die Initiative ergreift und ihren widerspenstigen Grafen Danilo Schritt für Schritt zähmt. Der ist bei Daniel Prohaska bestens aufgehoben. Sein liederlich-lässiger Auftritt als angetrunkener Attaché im Frack, mit heraushängendem Hemd und wirrer Frisur hat eine charmante Frechheit, die diese durch die Aufführungstradition erstarrte Figur für einen Augenblick aufbricht. Leider steckt er das Hemd schnell wieder in die Hose, sobald er auf seine Hanna trifft. Und das ist symptomatisch für die Regie: viele interessante Ansätze, die nicht weitergeführt werden und konventionell enden. Was hätten die so unterschiedlichen Charaktere von Hanna und Danilo für ein Konfliktpotenzial geboten!
Stattdessen verlieren sich ihre Liebesgefechte im Geplänkel. Die komischen Figuren hingegen funktionieren in Köpplingers dauerbewegter Inszenierung am besten. Da stimmen Timing und Typisierung. Mit Sigrid Hauser etwa in der Rolle des versoffenen Kanzlisten Njegus ist ihm ein echter Besetzungscoup gelungen. Dieser erste weibliche Njegus ist ein gewitzter Schwejk, der im Maxim auch mal eine Grisette mimt.Musiziert wurde übrigens auch, und das ganz stilgerecht elegant. Der neue GMD Anthony Bramall hat ein Gespür für Nuancen und setzt auf den schlanken Klang seines sensibel folgenden Orchesters, dessen kleine Besetzung wohl jener der Uraufführung entsprochen haben dürfte. Dass viele Regieideen in den Konventionen des Genres untergehen, hat viel mit der Bühne von Rainer Sinell und Alfred Mayerhofers Kostümen zu tun. Die sind zwar prächtig, aber aus der K.-u.-k.-Klamottenkiste, verstärkt durch ein blinkendes, durch Projektionen ergänztes Revue-Ambiente. Wenn dann am Ende der Erste Weltkriegausbricht, kommt noch einmal der Tod ins Spiel, breitet »seine schwarzen Schwingen« aus und küsst die Witwe. Auch das wieder ein starkes Bild. Trauer müssen jetzt andere tragen. ||
DIE LUSTIGE WITWE
Gärtnerplatztheater| 5. Nov.| 18 Uhr | 10./18. Nov.
19.30 Uhr | Tickets: 089 21851960
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