Die Performancereihe »Arbeit und das Talent der Nutzlosigkeit« untersucht die Bedeutung von Arbeit in Zeiten der Automatisierung.
Arbeit halbes Leben, null Komma fünf zu viel, sang die Avantgardeband F.S.K. in ihrem Stück »Dachshund Walzer«, und man ist oft geneigt, dem zuzustimmen. Und doch definieren die meisten Menschen sich über ihre Arbeit. Wer arbeitslos ist, fühlt sich oft wertlos. Ausgeschlossen aus der Gesellschaft der Arbeitenden. Hat Angst, für faul gehalten zu werden. Aber ist Fleiß wirklich das Maß aller Dinge? Und ist derjenige, der einer Erwerbsarbeit nachgeht, zwangsläufig fleißig? Was wäre der Mensch ohne Arbeit? Eine Frage, die im Rahmen der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen gerne gestellt wird. Gilt Arbeit vielen doch als sinnstiftend. Aber was ist Arbeit eigentlich?
Karnik Gregorian und Bülent Kullukcu lassen in ihrer Performance »Arbeit und das Talent der Nutzlosigkeit« arbeiten. Das heißt, erst mal arbeitet nur einer. Akribisch breitet Jassin Akhlaqi Malervlies aus, packt Eimer, Pinsel und Rolle aus und beginnt die Wände anzustreichen. Ordentlich setzt er Pinselstrich an Pinselstrich, auch wenn gar keine Farbe dran ist. Savas Tetik, der auf dem Diwan fläzt und den Chef gibt, wirft sich schließlich auch in den weißen Maleroverall, und beginnt zu erzählen. Seine Lebens- und Arbeitsgeschichte. Wie er nach dem Militärputsch von 1980 aus der Türkei flüchtete. Als ordentlicher Linker wollte er in ein sozialistisches Bruderland. Gelandet ist er schließlich in der BRD. Weder die Tschechoslowakei noch die DDR wollten ihn haben. Er hat Lastwagen zusammengebaut, Volkstanz unterrichtet, Migranten beraten und nach 35 Jahren endlich sein Studiendiplom aus der Türkei bekommen. Aber wie die Lücke an Jahren zwischen Abschluss und Diplom erklären?
In ihrer Arbeitspause spielen die beiden Karten oder Schach, Letzteres eine Tätigkeit, die manche als Beruf ausüben. Dann ist es Arbeit. Für die beiden ist es Hobby. Eine Beschäftigung, die nicht aus der Notwendigkeit, die Existenz zu sichern, erwächst. Gregorian und Kullukcu montieren um die beiden philosophierenden Arbeiter herum Texte (Sprecherin: Anne-Isabelle Zils), die von künstlicher Intelligenz erzählen, vom Wert des Geldes, der der Arbeit überlegen ist, von der Automatisierung, die den Menschen seine Wichtigkeit als Arbeitskraft verlieren lässt oder von Steinzeitmenschen und wie sie anfingen, sich zu spezialisieren. Sie kombinieren die Texte kaleidoskopartig mit einer Fülle an Filmen und Bildern, die illustrieren, konterkarieren oder ironisch kommentieren. Ein Hoch auf die Nutzlosigkeit singt diese Performance nicht, aber sie stellt viele wichtige Fragen an Gegenwart und Zukunft.
Dass man Arbeit, Freizeit, Hobby und Notwendigkeit nicht trennen muss, zeigen die Bilder, die der Premierengast Jens Schanze mitgebracht hat. Der Dokumentarfilmer hat mit »La buena vida – Das gute Leben« einen Film über die indigene Gemeinschaft der Wayúu gemacht. Sie machen alles selber, kaufen nichts und brauchen daher kein Geld. In den kommenden Vorstellungen werden eine Organisationsentwicklerin, ein Neurowissenschaftler und eine Performerin Aspekte von Arbeit und Nichtstun beleuchten.
21. Dezember
Arbeit und das Talent der Nutzlosigkeit
mit Christiane Huber und »DOING NOTHING oder Eine Partitur des Nichtstuns«
Galerie Kullukcu & Gregorian im Import Export | Dachauer Str. 114 | 20.00 Uhr | Tickets: Abendkasse
Das könnte Sie auch interessieren:
Vanessea Eckart & Katharina Müller-Elmau: Simon & Garfunkel-Tribute
»Tiere im Hotel« an der Schauburg
Die Unerhörten: Antike Heldinnen im Residenztheater
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton