Der in der Edition text + kritik erschienene Aufsatz- und Interview-Band »Bernd Eichinger« nimmt sich des Œeuvres des Produzenten an.
»Grenzen kann man nicht sehen. Sie sind eine Erfindung der Menschen. Die Natur kennt so was nicht.« Dieses Zitat aus Jean Renoirs Meisterstück »La Grande Illusion« (1937) traf im übertragenen Sinne auf keinen anderen deutschen Filmschaffenden seit 1945 dermaßen zu wie auf den 2011 verstorbenen Bernd Eichinger. Denn der 1948 im beschaulichen Neuburg an der Donau geborene Großproduzent (Neue Constantin Film) verstand sich selbst gerne als rohe, urbayerische Naturgewalt, er gefiel sich zeitlebens in der Rolle des deutschen Filmtycoons, für den scheinbar kein Widerstand groß genug sein konnte: Schlechte Filmkritiken? Das ist doch nur der Neid der anderen. Millionensummen für Filmrechte? »Ja, mei: Wer ko, der ko«, entgegnete daraufhin der äußerlich so wilde und innerlich so verletzliche Eichinger oft seinen
Kritikern aus der Branche.
Nein, von allen geliebt wurde er nie. Und trotzdem überschlugen sich bereits kurz nach seinem plötzlichen Tod – Eichingers stets unruhiges Herz hatte abends bei einem geselligen Dinner in Hollywood auf einen Schlag seinen Dienst eingestellt – viele Nachrufeschreiber mit ihren fast schon irreal klingenden Lobhudeleien auf den alsbald so schmerzlich Vermissten. Inzwischen trägt sogar seine Ausbildungsstätte, die HFF München, an der er einst im dritten Jahrgang – im sogenannten »C-Kurs« – Regie studiert hatte, folgende Anschrift: Bernd-Eichinger-Platz 1. Das hätte dem verstorbenen Filmwahnsinnigen sicherlich gefallen: Denn der lange Zeit kontrovers diskutierte Filmproduzent (z.B. »Die unendliche Geschichte«), Drehbuchautor (für »Der Untergang«) und Regisseur (u.a. bei »Der große Bagarozy«) war die, zumindest kommerziell, unumstrittene Nummer eins im deutschen Filmgeschäft – jahrzehntelang.
Welch große Lücke sich im deutschen Film seit dem herben Abgang ihres unausgesprochenen Anführers aufgetan hat, dazu erfährt der Leser in einem neuen Aufsatz- und Interview-Band zum bahnbrechenden Œeuvre Eichingers überraschend viel. Absolut lesenswert – und höchste Zeit für eine Revision des viel zu lange Geschmähten. ||
BERND EICHINGER
Film-Konzepte Band 46
Edition text + kritik
137 Seiten | 20 Euro
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