Von wegen Sommerloch – ab 21. Juli bespielt die junge Künstlerin Susi Gelb drei prominente Plätze in der Innenstadt mit hybriden Installationen. Ein Gespräch über multimediale Alchemie und Exotik.
Ein sommerlicher Tag in einem lichtdurchfluteten Studio im Glockenbachviertel. Neben Computern, Skizzen, Finanzplänen und zur Auslieferung verpackten Skulpturen prägen auch hier Pflanzen das Bild. Eine Reihe von Palmen und Farnen sind prominent im Atelier drapiert. Der künstlerische Ansatz von Susi Gelb speist sich aus unterschiedlichsten Quellen und Ideen, sie spielt gekonnt mit Material und agiert an der Schnittstelle von Künstlichkeit und Natur. Susi Gelb hat bei Olaf Metzel an der Akademie in München Bildhauerei studiert, stellt international aus und kuratiert Ausstellungen. In ihrer multimedialen Praxis erweitert sie die Parameter von Skulptur und Installation. Als Gewinnerin des geladenen Wettbewerbs Kunst im öffentlichen Raum der Stadt München setzt sie ihre Ideen nun im Stadtraum um.
Wie greifen Sie mit dem Projekt in den Stadtraum ein?
Die erste Idee war, ein lebendiges Setting zu schaffen. Mir war es sehr wichtig, dass dieses Projekt nicht in der Peripherie stattfindet, sondern im Zentrum – so habe ich nach Plätzen gesucht, die bereits ein hohes Energiepotenzial haben. Meine Kunst soll auch Leute ansprechen, die keine Vorbildung haben, nicht nur das Kunstpublikum.
Sie arbeiten in Ihrer künstlerischen Praxis viel mit Materialität, zwischen Natur und Technik. Wie übersetzen Sie diesen Ansatz für ein Projekt im öffentlichen Raum?
Ich habe mich für dieses Projekt viel mit Dingen beschäftigt, die mich schon seit Jahren begleiten. Die Themen Wachstum, Alchemie, Transformation spielen eine große Rolle. Was passiert, wenn man bestimmte Dinge mischt? Ich greife da auf meinen Kosmos zurück – ich habe in den letzten Jahren in verschiedene Bereiche hinein geforscht und Dinge ausprobiert. Für dieses Projekt musste ich prüfen, was für den öffentlichen Raum überhaupt passt und möglich ist: Die einzelnen Elemente dürfen nicht sofort kaputt gehen, die Sicherheit muss gewährleistet werden. Die Hauptarbeit wird ein Film sein, der viel davon zeigt, wie sich mein Kosmos aufbaut. Dieser Film wird auf einem übergroßen LED-Screen auf dem Max-Joseph-Platz präsentiert. Und dann gibt es noch verschiedene Arbeiten wie zum Beispiel Betonflächen, die gleichzeitig als Sonnenliegen genutzt werden können. Sie sind mit thermochromatischen Fliesen versehen, die sich auf die Umgebungstemperatur einlassen und sich dadurch verändern. Wenn man sie berührt oder an einem heißen Sommertag Wasser über sie kippt, ändern sie ihre Farbe. Außerdem verwende ich viele Pflanzen, die ein lebendiger Bestandteil meiner Installationen sind.
Sie bespielen mit Ihrem Projekt den Odeonsplatz, den Max-Joseph-Platz und den Lenbachplatz. Wie stehen diese drei Orte zueinander in Beziehung?
Mir war es wichtig, dass diese Orte ein Gefüge ergeben, dass man die Plätze fußläufig erfahren kann. Vielleicht kommt zufällig ein Passant an zweien der Orte vorbei und bemerkt, die gehören zusammen. Ich arbeite an allen Stationen mit Versatzstücken aus der Pflanzenwelt und es gibt auch bestimmte Muster, die wiederkehren. Man erkennt sofort, dass das aus dem gleichen Kosmos stammt. Die Installation auf dem Odeonsplatz ist eigentlich die schlichteste, dort platziere ich eine schiefe Palme, die aus dem Kopfsteinpflaster herauswächst. Gleichzeitig ist diese Arbeit auch eine der komplizierteren wegen der technischen Umsetzbarkeit. Auf dem Lenbachplatz nutze ich die Plakatfläche, die bereits vorhanden ist, für die Ed Ruscha vor einigen Jahren ja eine tolle Arbeit produziert hatte. Das hat sich für mich angeboten, denn der Platz ist schön und weitläufig. Das gibt es in München nicht so oft, solche weitläufigen Plätze, die etwas Urbanes haben. Die meisten Orte sind doch eher klein, die Stadt ist recht eng, so dass man keinen Überblick hat. Dieses Plakat bespiele ich mit einem alchemistischen Muster, das wie eine Nahaufnahme aus einem Mikroskop aussieht und gleichzeitig wie ein tropisches Camouflage-Muster wirkt. Das ist eines meiner Themen: Es geht gleichzeitig um Abstraktion und Transformation. An allen drei Orten integriere ich unterschiedliche Pflanzen. Auf dem Opernvorplatz sind es hauptsächlich Palmen und Gräser, die eine Üppigkeit ergeben. Auf dem Lenbachplatz werde ich Bananenstauden platzieren und eben die zottelige und windschiefe Washingtonia-Palme auf dem Odeonsplatz.
Ein Leitthema scheint die Exotik zu sein. Was fasziniert Sie daran so?
Das sind verschiedene Ebenen. Zum einen habe ich das Gefühl, dass ich auf dem falschen Breitengrad lebe, eigentlich woanders leben müsste. Ich bin wie eine Pflanze, die ein anderes Klima bräuchte, das spüre ich. Also bezieht sich das Exotische auch auf mich, meinen eigenen Kosmos. Gleichzeitig waren die Tropen, das Gebiet um den Äquator, immer schon ein Sehnsuchtsort. Der Urwald, in dem alles wächst, das Äquinoktium, wo die Tage immer gleich lang hell und dunkel sind. Das ist ein Ort, der mich sehr fasziniert, an den ich auch gerne öfters reisen würde. Es ist dort nicht feindlich. Unsere Breiten haben etwas Feindliches im Winter, wenn es so kalt ist. In den Tropen spielen auch viele Geschichten, die ich lese und die mich interessieren, wie z. B. von J. G. Ballard. In den Tropen finden sich Orte, die auch etwas Verrücktes haben, die Dinge gebären, wo es wuchert und gut wächst. Alles ist dort möglich. ||
SUSI GELB: NO SUCH THINGS GROW HERE
Max-Joseph-Platz, Odeonsplatz und
Lenbachplatz| Eröffnung: 21. Juli, 19 Uhr
bis 21. August
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