Der norwegische Erfolgsautor Karl Ove Knausgård liest anlässlich der Veröffentlichung des letzten Bandes seiner »Min Kamp«-Reihe an der LMU.
6 Bände, 3600 Seiten, veröffentlicht in drei Jahren. Schlag auf Schlag brachte in Norwegen der Verlag von Karl Ove Knausgård dessen Romanzyklus »Min Kamp« heraus, die Veröffentlichung wurde schnell zum Skandal. Denn Knausgård schrieb über das Leben, sein Leben, wozu logischerweise auch das private Umfeld des Autors zählte, Familienangehörige und Freunde, die alles andere als glücklich waren, sich plötzlich als Romanfiguren wiederzufinden. Es folgten Vorwürfe, die Knausgård der Illoyalität und Unanständigkeit ziehen, Rechtsstreitigkeiten, Schlammschlachten. Ein Onkel bezichtigte seinen Schriftsteller-Neffen, er sei auf nichts anderes als Geld und Ruhm aus, koste es, was es wolle. Seine Ex-Frau konterte in Radiobeiträgen.
Es ist schon erstaunlich, welch hohe Wellen ein erzählerisch wie stilistisch doch so beschauliches Unternehmen wie Knausgårds Roman schlagen konnte. Denn genau genommen passiert auf den vielen Seiten seiner megalomanen Erzählung nicht viel. Nur das ganz normale Leben, bestehend aus Kindergeburtstagen, Essen mit Freunden und Autorenkollegen, Urlaubsfahrten und Gängen zum Windeleimer. Knausgårds ästhetisches Programm geht der Frage nach, wie man im 21. Jahrhundert noch realistische Prosa schreiben kann, seine Antwort: »Die Fiktion mit der Fiktion bekämpfen.« Der norwegische Autor ist sich der Literarizität seines erzählerischen Projekts bewusst. In einem kürzlich veröffentlichten Interview fasst er das wie folgt zusammen: »Erinnerung und Fiktion haben denselben Ursprung, und man muss Erinnerung auf ganz ähnliche Weise erschaffen wie Fiktion, um sie überhaupt sehen zu können.«
Schenkt man den Ankündigungen von Luchterhand, dem deutschen Verlag des Erfolgsautors, Glauben, radikalisiert Knausgård mit dem am 22. Mai erscheinenden finalen Band »Kämpfen« sein künstlerisches Programm noch einmal. Dass dies zu einem Zeitpunkt geschieht, an dem Diskussionen um Fake-News, mediale Manipulationen und Machenschaften von Spin-Doktoren allgegenwärtig sind, zeigt Knausgårds Autofiktionen sechs Jahre nach Erscheinen in Norwegen in einem besonderen Spannungsfeld. Auch in einem der wachsenden Kritik aus Kreisen des Feminismus und des Gender-Diskurses: Vertreterinnen werfen dem durchaus reaktionär zu nennenden Autor Frauenfeindlichkeit vor. Tatsächlich hegt der in Schweden lebende Knausgård einen tiefen Widerwillen gegen den normativierenden Mainstream und besonders die Populärkultur, die, so sieht er das, auf Gleichförmigkeit abziele. »In Schweden gibt es zwei heikle Themen: Gender und Einwanderung. Wenn du über diese Themen sprichst, musst du in einer bestimmten Weise reden, sonst bist du draußen.«
Knausgårds Programm ist auch immer eines des Mutes zum Scheitern. Ob der Hype um seinen sechsbändigen MammutRoman gerechtfertigt ist, davon können sich Leser und Zuhörer beim Auftritt des Norwegers am 24. Mai in der Großen Aula der LMU überzeugen. ||
KARL OVE KNAUSGÅRD:KÄMPFEN
Aus dem Norwegischen von Paul Berf und Ulrich Sonnenberg
Luchterhand, 2017 | 1280 Seiten | 29 Euro
AUTORENLESUNG
Große Aula der LMU| 24. Mai| 20 Uhr | Moderation: Alex Rühle | Lesung der deutschen Passagen: Shenja Lacher
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