In seiner zweiten Spielfilmregiearbeit »Der Hund begraben« erzählt HFF-Absolvent Sebastian Stern von »einem Mann, der überflüssig wurde«. Die makabre Komödie mit Coen-Brothers-Touch profitiert dabei vor allem vom virtuosen Spiel des Hauptdarstellers Justus von Dohnányi.
Schon bei seinem HFF-Abschlussfilm »Die Hummel« legte Sebastian Stern sehr viel Wert auf starke Figuren und entsprechend versierte Schauspieler, die diese Charaktere auch verkörpern können. So spielte Jürgen Tonkel, der legendäre Radiomoderator aus Marcus H. Rosenmüllers Kultfilm »Wer früher stirbt ist länger tot«, in der Tragikomödie einen VertreterVerlierertypen, der seine Schönheitsprodukte in der niederbayerischen Provinz an die Frau bringen will. Zu seinen Partnern zählte unter anderem auch die wunderbare Inka Friedrich, die man aus den Werken von An dreas Dresen, etwa »Sommer vorm Balkon«, kennt. Jetzt legt Stern, der 2011 für »Die Hummel« mit dem Bayerischen Filmpreis für die beste Nachwuchsregie ausgezeichnet wurde, seinen zweiten abendfüllenden Spielfilm vor.
Auch »Der Hund begraben« wartet mit einem ausgezeichneten Ensemble auf. Neben dem Österreicher Georg Friedrich (Silberner Bär 2017 für Thomas Arslans »Helle Nächte«) und der Theateraktrice Juliane Köhler ist es vor allem Justus von Dohnányi, der die Akzente setzt. Dem Genre ist der 37-jährige Deggendorfer Stern ebenfalls weitgehend treu geblieben, nur dass das Tragische in der Komödie dies mal vom Makabren, Schwarzhumorigen überdeckt wird. Im Kern geht es in »Der Hund begraben« um Hans, einen Familienvater (Dohnányi), dem nach dem Verlust des Arbeitsplatzes auch der Kontakt zu seiner Frau Yvonne (Köhler) und seiner Tochter zu entgleiten droht. Als er in diesem Fall gegensteuern und sich Hilfe von außen in Form eines vermeintlichen Freundes (Georg Friedrich) holen will, gerät sein bis dato ach so beschauliches Leben vollends aus dem Ruder.
Eine Thematik, an der Stern sichtlich Gefallen findet: »Familiäre Strukturen interessieren mich immer. Denn hier können auf dichtem Raum, wo es zwangsläufig viele emotionale Verbindungen gibt, oft die naheliegendsten Dinge unausgesprochen bleiben. Und wenn man sich mit dem Thema Nichtkommunikation und Sich-in-Lügen-Verrennen beschäftigt, was ja in diesem Film eindeutig der Fall ist, dann ist Familie ein schöner Schmelztiegel, in dem so etwas bald zu Konsequenzen führt.« In gewisser Weise erinnert »Der Hund begraben« an komödiantische Versionen der Werke Michael Hanekes, aber auch der Sarkasmus der Coen-Brüder schlägt immer wieder durch. Vor allem mit letzterem Vergleich kann der Regisseur durchaus etwas anfangen: »Haneke erzeugt Abgründigkeit mit einer wesentlich radikaleren und auch reduzierteren Form. Was ich an den Coens sehr schätze, ist dieser wunderbare trockene Humor. Ich mag es, wenn man den normalen Alltag in seiner Absurdität ernst nimmt. Und dadurch werden die Situationen dann witzig.«
Mit Justus von Dohnányi hat sich Stern einen Schauspieler vor die Kamera geholt, der dem Komödiantisch-Makabren ebenfalls eine Menge abgewinnen kann, zuletzt bewiesen in der Funktion als Regisseur des herrlich bitterbösen »Desaster«, wo er auch selbst neben Jan Josef Liefers, Stefan Kurt und Anna Loos agierte. Doch Stern hatte einen ganz anderen Part im Sinn: »Ich bin auf Justus’ komödiantisches Talent durch seine erste Regiearbeit ›Bis zum Ellenbogen‹ gestoßen. Dabei fand ich nicht nur den ganzen Film, sondern vor allem auch seine Rolle, die im Film ja leider nicht lange überlebt, sehr komisch. Auch in ›Oh Boy‹ habe ich ihn sehr spannend und auch auf eine gute Weise schräg gefunden. Ich hatte dann die Gelegenheit, ihn zu treffen, und wir haben schnell das Gefühl bekommen, dass wir an denselben Film denken.«
Der Bruch des Rhythmus und der Geist von Hof
Tatsächlich zeigt sich von Dohnányi in »Der Hund begraben« einmal mehr in Höchstform. Zum einen macht er die Einsamkeit seines Protagonisten auf unnachahmliche Weise transparent, zum anderen wirken selbst die absurdesten Handlungen, die »Hans im Unglück« ausführt, jederzeit glaubwürdig und nachvollziehbar. Und sein nuancenreiches Spiel wird unter anderem in jener Szene deutlich, in der er gemeinsam mit seiner Frau nach ihrem entlaufenen Hund sucht und – aus Gründen, die hier wegen Spoiler-Gefahr nicht verraten werden sollen – nur sehr zaghaft nach Yvonnes geliebtem Vierbeiner ruft. Was ebenfalls bei Sterns Film auffällt, ist die Arbeit mit Schwarzblenden, die dem Ganzen einen episodischen Charakter verleiht. Eine Entscheidung, die der Regisseur ganz bewusst getroffen hat: »Ich mag es ganz gerne, dass man den Rhythmus eines Films auch mal bricht, ihn strukturiert, dass man innehält. Oftmals ist die Dramaturgie ja darauf gepolt, dass alles vorwärts fließt und lückenlos ineinander übergeht. Ich finde es aber ganz schön, Zäsuren zu schaffen und so dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, darüber nachzudenken, wie es jetzt wohl weitergehen könnte.«
»Der Hund begraben« feierte im letzten Jahr auf den Internationalen Hofer Filmtagen Premiere. Es war die 50. Veranstaltung, die ihr Gründer und Leiter Heinz Badewitz leider nicht mehr miterleben durfte. Sebastian Stern hat den Geist, den das Festival über Jahrzehnte hinweg nicht zuletzt durch Badewitz ausgestrahlt hat, dennoch überall gespürt: »Viele Stammgäste, von Chris Kraus bis Werner Herzog, haben gezeigt, wie viel ihnen Hof bedeutet, auch dadurch, dass sie ihre Filme mit persönlichen Widmungen anmoderiert haben. Ich selbst habe Hof als ein Festival der Regisseure erlebt, auf dem man sich über seine Arbeit kennenlernt und der Glamour und das Drumherum keine Rolle spielen.« Und auch sein Film ist sehr gut angekommen; »Die Leute haben viel gelacht, was ich sehr schön finde, denn bei Komödien, die an der Grenze zum Tragischen entlangschlittern, wäre es schade, wenn das Tragische beim Publikum überwiegt. Deshalb war ich sehr erleichtert und glücklich, dass die Komik aufgegangen ist.« ||
DER HUND BEGRABEN
Deutschland, 2016 | Drehbuch und Regie: Sebastian Stern | Mit: Justus von Dohnányi, Juliane Köhler, Georg Friedrich | 86 Minuten
Kinostart: 23. März
Trailer
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