Flughäfen sind Zwischenräume des Alltäglichen. Der britische Komponist Jonathan Dove nützt diese Besonderheit für seine Oper »Flight«, und die Theaterakademie bringt sie auf die Bühne.
Klar und mit präzisem Konzept, gleichzeitig aber bereit für neue Impulse, führt Regisseur Balázs Kovalik junge Sänger der Theaterakademie August Everding zur Oper »Flight« von Jonathan Dove. In diesem Flughafen-Werk treffen wartende Passagiere mit ihren Wünschen und Begierden aufeinander, betreut von einer Controllerin, der Stewardess und ihrem Kollegen. Während eines rauschhaft wütenden Sturmes, der die Träume durcheinanderwirbelt, verteilt ein Geflüchteter magische Steine, was ihm später fast den Tod bringen wird.
Auf der Probe lernen die Studierenden, dass Slapstick exaktes Timing benötigt. Jeder Blick, jeder Schritt, jede Geste muss perfekt stimmen. Julia Moorman und Stefan Sbonnik beispielsweise spielen Tina und Bill, ein Paar auf dem Weg in den Urlaub. Die Ehefrau möchte endlich abfliegen, stapelt Gepäck auf einen Kofferwagen und bringt ihren Mann in Bedrängnis, der versucht, seine Nacktheit zu verbergen. In seine Hose ist nämlich nach einer nächtlichen Affäre der Steward geschlüpft. »Das Stück ist eine satirische Komödie«, erklärt der Regisseur, der witzige Choreografien von Ramses Sigl einbaut. »Satire entsteht, wenn Banales und Lustiges mit Ernstem konfrontiert wird. Wir betonen das Musicalhafte mancher Stellen, damit sie heftig auf die krassen, dekadenteren Szenen prallen.« Am Schauplatz gibt es zwar ein echtes Flugzeug, trotzdem steht für Kovalik die »Zwischensituation« im Mittelpunkt, »in der man verloren, aber auch frei ist.«
Bühnenbildner Hermann Feuchter zeigt kleinbürgerliche Lebenswelten in Überseecontainern, Angelika Höckners comicartige Kostüme präsentieren durch ihre schrille Überzogenheit klassische Verdrängungsthemen. Der ebenfalls kontrastreichen und postminimalistischen Musik gelingt der Spagat zwischen eingängigen Ensemblenummern und virtuosen Sequenzen. Komponist Jonathan Dove, 1959 in London geboren, feierte 1998 mit »Flight« seinen internationalen Durchbruch.
Nun kommt die Oper als Kooperation mit dem Münchner Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer in die Theaterakademie. Balász Kovalik leitet dort seit 2012 den Studiengang Musiktheater/Operngesang: »Die Studierenden sind offen und hochmotiviert. Trotz mancher Schüchternheit haben sie faszinierenden Mut. So erleben wir immer wieder eine tolle Energie, die das Publikum und uns begeistert.«
Präsident Hans-Jürgen Drescher wiederum sieht die Ausbildungsstätte als Spielraum: »Zu jedem Raum gehört eine Grenze. Um Grenzen zu überschreiten, muss man sie erkennen und den Schritt ins Unbekannte wagen. Theater beschäftigte sich schon seit jeher mit der Begegnung des Fremden mit dem Eigenen. Mit den Augen eines Fremden sich selbst zu betrachten, ist der Anfang jeder Kunst. Und jeder künstlerischen Tätigkeit.« Wie sich die Figuren ändern und was mit dem Geflüchteten passiert, wird aktuell, aber ohne Effekthascherei inszeniert. Drescher bekräftigt: »Das Politische gehört zur ästhetischen Praxis des Theaters.« Und damit ist es aktueller denn je. ||
FLIGHT
Prinzregententheater | 17., 19., 21., 25. Feb.,
19.30 Uhr | 23. Feb., 11 Uhr | Tickets: 089 21851970
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