Mit seinem ebenso amüsanten wie detailgenauen Dokumentarfilm »Fanni – oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?« hat Hubert Neufeld eine Art Lehrfilm darüber geschaffen, wie man das Aussterben der Gastronomie in Bayerns Dörfern beenden kann.
Fanni – oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?
Damwild-Burger aus Pischelsdorf

Hubert Neufeld | © privat
Herr Neufeld, in Ihrem Film »Fanni – oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?« geht es darum, wie man eine alte Dorfgaststätte, die vier Jahrzehnte geschlossen hatte, wieder mit Leben füllt. Das wirft zwangsläufig die Frage auf: Was ist eigentlich schlimmer? Das Kino- oder das Wirtshaussterben?
Ich würde sagen, Letzteres. Denn im Wirtshaus könnte man theoretisch einen Film zeigen – was wir im Übrigen auch mit »Fanni« in kleinem Rahmen in meinem Heimatort Pischelsdorf (bei Pfaffenhofen, Anm. d. Red.) getan haben. Aber das Kinosterben ist natürlich auch sehr heftig. Das habe ich auf der Bayerntour gespürt, die wir Anfang des Jahres unternommen haben. Da gab es zum Beispiel ein Kino in Kitzingen, das 14 Jahre zu hatte und dann als Genossenschaft – die einzig praktikable Lösung – wieder aufgemacht hat.
Wenn ich das richtig verstehe, dann ist das Projekt über die »Wiederbelebung« der Traditionsgaststätte Fanni zu Ihnen gekommen, und nicht umgekehrt?
Das kann man so sagen. Ich habe das Ganze durchaus interessiert beobachtet, war auch bei der allerersten Sitzung dabei und wollte unbedingt Genosse werden. Aber ich habe den filmischen Aspekt nicht gesehen und wusste auch, dass ein derartiges Langzeitprojekt mit enormem Aufwand verbunden sein würde. Es war schließlich ein trauriger Anlass, der Tod meines Onkels, einer der treibenden Kräfte des Fanni Projekts, der mich dazu bewogen hat, dieses Thema filmisch umzusetzen.
Wir reden also von einer sehr persönlichen Geschichte?
Ja, natürlich, ich bin in Pischelsdorf aufgewachsen, vom Balkon meines Elternhauses kann ich die Fanni sehen.
Wie muss man sich die technische Realisierung des Films vorstellen?
Bereits während des Drehs habe ich mir den Kompromiss eines Medien- und Kameramix zugestanden, weil ich wusste, dass an jedem größeren Bautag zumindest Fotos gemacht wurden. Später habe ich dann noch meinen Papa gebeten, Handyvideos anzufertigen. Alles andere habe ich dann selbst gefilmt. Am Schluss waren es 52 Drehtage, darunter auch kurze, wenn ich etwa für ein, zwei Stunden mit der Drohne Landschaftsaufnahmen gemacht habe.
In »Fanni« kommen überwiegend Menschen vor, die am Umbau und der Renovierung des Gasthauses beteiligt waren. Sie haben sich aber mit Bayerns Kabarettistenlegende Gerhard Polt auch Prominenz vor die Kamera geholt.
Als ich ihn erstmals kontaktiert hatte, habe ich sofort gemerkt, dass ihm die Sache am Herzen liegt und er sie auch als ein Problem sieht, über die man wenig, oder kaum Witze reißen kann. Ich sehe ihn in meinem Film als eine Art »Elder Statesman«, dessen Aussagen sehr seriös, prägnant und glaubwürdig sind. Für mich war das besonders wichtig, um mein Zielpublikum
bestmöglich erreichen zu können.

Thomas Neufeld, Konrad Moll und Norbert Bergmeier | © HTN Films
Im Abspann des Films ist zu lesen, was in der Fanni nach der Wiedereröffnung alles passiert ist. Und das, obwohl das Lokal nur einmal in der Woche geöffnet ist!
Ursprünglich war geplant, dass die Fanni jeden Freitag aufmacht. Es war außerdem klar, dass dort auch hin und wieder Geburtstage gefeiert werden würden, Aber es haben viel mehr Veranstaltungen stattgefunden als erwartet: Bastelnachmittage, Kaffeekränzchen, Trauercafé, Ladies Night oder samstags der Verkauf von regionalen Produkten vom Pfaffenhofener Land. Ich wollte meinen Film auf jeden Fall mit der Eröffnung abschließen, gleichzeitig aber auch den Beweis abliefern, dass das Projekt funktioniert.
»Fanni – oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?« besitzt den Charakter eines Lehrfilms. War das so gedacht?
Das stand schon sehr früh fest, deshalb wurde der Titel auch so gewählt. Ich wollte eine Art Tutorial kreieren. Zudem sehe ich den Film als lokale Geschichte mit universeller Aussage, der einige Fragen offen lässt, aber auch viele Antworten gibt. Und eine Frage, die bei den Zuschauerinnen und Zuschauern bleiben soll, ist: Wo ist die Fanni in meinem Leben?
Nach diversen Dokumentarfilmen und Imagefilmen, die Sie wie »Sounds of the South« unter anderem in die Antarktis führten, haben Sie mit »Fanni« Ihren ersten »ehrenamtlichen« Film gedreht. Kann man das so sagen?
Noch ist das so (lacht). Natürlich habe ich ein paar kleine Förderungen bekommen. Damit konnte ich Kosten für die Postproduktion wie Soundtrack, Colour Grading und Tonmischung sowie ein paar kleinere Unkosten abdecken. Aber meine Arbeitsleistung war bisher komplett ehrenamtlich. Allerdings kommt durch die Filmtour und die Kinoauswertung wieder ein bisschen was zurück. Da sprechen wir aber voraussichtlich nicht von finanziellem Erfolg.
Dafür ist das Thema Ihrer Dokumentation absolut zeitlos …
Ich denke auch, dass »Fanni« irgendwann einmal zu einem Zeitzeugnis für das Dorf und die Regionalität werden wird. Und, ehrlich gesagt, ich freue mich schon darauf, wenn der Film in zehn Jahren wieder im Dorf angeschaut wird und alle Beteiligten in Erinnerungen schwelgen.
Sind Sie eigentlich selbst Gast im Fanni?
Meine Eltern wohnen ja nach wie vor in dem Dorf. Ich bin regelmäßig dort, und wenn es Freitag ist, dann schaue ich auf jeden Fall vorbei.
Auf ein Bier? Oder kann man dort auch etwas essen?
Freitags gibt es immer warme Küche, ein oder zwei Gerichte, dazu noch ein vegetarisches. Und es ist immer gut besucht. Zuletzt kam es zu einem weiteren Highlight: Damwild-Burger aus Pischelsdorf. Da kamen über den ganzen Abend verteilt fast 100 Gäste und die Küche hat an diesem einen Tag 85 Gerichte rausgehauen.
Haben Sie die Fanni, die Wirtin, selbst noch gekannt?
Ja, ich habe sie als Bild am Zaun stehend in Erinnerung. In dem Garten habe ich früher Kastanien gesammelt und bei dem Zigarettenautomaten, der damals noch dort hing, habe ich immer nachgeschaut, ob noch Kleingeld drin ist. Tatsächlich habe ich einmal vier Fünf-MarkStücke nacheinander rausgeholt. Aber wenn Fanni am Gartenzaun stand, habe ich mich nicht zu den Kastanien getraut. Sie hat schon mehr als Autorität ausgestrahlt.
Ihr etwas strenger Charakter kommt durch die Erzählungen im Film auch sehr gut rüber. Was denken Sie, würde Fanni zu Ihrem Film sagen? Und dazu, was man aus ihrem Wirtshaus gemacht hat?
Dass aus der Traditionsgaststätte wieder ein gastronomischer Betrieb geworden ist, hätte sie mit Sicherheit gut gefunden. Denn als langjährige Wirtin hätte sie es zu schätzen gewusst, wenn Gemeinschaft entsteht. Den Film selbst hätte sie bestimmt nicht gut gefunden, denn Fotos von sich selbst zu sehen, das war ihr ein Gräuel, das hätte sie wahrscheinlich nicht unterschrieben. Aber die Erbinnen und Erben haben das Projekt unterstützt und auch alle Materialien zur Verfügung gestellt. Sie haben den Film auch gesehen und sind begeistert davon.
Und wie waren die Reaktionen des Publikums bei der Preview-Tour?
Der Film kommt sehr gut an, danach wird immer mindestens eine halbe Stunde diskutiert und auch später kommen Menschen zu mir, die mir ihre ganz persönlichen Geschichten über ähnlich Erlebtes erzählen. Und selbst Leute, die noch nie etwas von der Fanni gehört haben, hört man während des Films immer wieder lachen, oder sie haben am Ende Tränen in den Augen. Kann man sich viel mehr erhoffen? ||
FANNI – ODER: WIE RETTET MAN EIN WIRTSHAUS?
Deutschland 2025 | Regie: Hubert Neufeld | Mit: Thomas Neufeld, Konrad Moll, Norbert Bergmeier, Gerhard Polt u.a. | 92 Minuten | Kinostart: 24. April | Website
Weitere Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
Leopold und ABC Kinos unter neuer Führung
Ingeborg Bachmann: Kritik zum Film von Margarethe von Trotta
Herbert Achternbusch: Ein Nachruf von Georg Seeßlen
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton