Mit der Ausstellung »Drachensaison in der gegenstandslosen Welt« kratzt der Künstler Hank Schmidt in der Beek am heiligen Gral moderner Kunst.

Hank Schmidt in der Beek

Comic Meets Art

hank schmidt in der beek

Hank Schmidt in der Beek: »Collage Nr. 910« (Kasimir Malewitsch / Kleiner Maulwurf) | 2021 | Courtesy der Künstler und Galerie Christine Mayer

Vorsicht Triggerwarnung: Wer Albernheiten im Umgang mit Hochkultur unerträglich findet, wem schon bei der Vorstellung von Mainzelmännchen im Magritte, Donald Duck im Mondrian und Schlümpfen im Matisse schlecht wird, wer es einfach gar nicht lustig findet, wenn Ikonen der bildenden Kunst verhohnepipelt werden – der sollte an dieser Stelle aufhören zu lesen. Denn in der aktuellen Ausstellung in den Interimsräumen der Villa Stuck passiert genau das. Da wird am Heiligen Gral der Kunst gekratzt. Und man darf sich dabei auch noch köstlich amüsieren.

Im Werk des Künstlers Hank Schmidt in der Beek sind es alle erdenklichen Comicfiguren, die sich in Klassikern der Moderne zu schaffen machen: »Mädchen!«, schreien Tick, Trick und Track angesichts der »Zwei badenden Mädchen im Teich« von Otto Müller. Der Bastelschlumpf hat sich mit Marcel Duchamps »Fahrrad-Rad« von 1913 eine Wettermaschine »erschlumpft«. Und Lucky Luke hängt am gelben Streifen in Nicolai Suetins gleichnamiger Komposition von 1920.

In seinen technisch perfekten Collagen geht Hank Schmidt in der Beek äußerst subtil vor. Er sucht sich die Comicfiguren so aus, dass sie sich in ihrer Handlung, Gestik und Mimik stimmig in die ausgewählten Werke der Kunst integrieren lassen. Wie einstmals sein Vorbild Max Ernst schneidet er die entsprechende Figur feinsäuberlich mit dem Skalpell aus und klebt sie nahezu nahtlos auf die verkleinerte Reproduktion auf.

Vor allem die Werke der Suprematisten mit ihren geometrischen Elementen liefern ihm und seinen Figuren fette Beute: Ob Lucky Luke, Goofy, die Mainzelmännchen oder der kleine Maulwurf – alle mühen sich mit den verschiedensten Methoden an den Quadraten, Kreuzen und Rechtecken ab, versuchen die Elemente aus dem Bild zu ziehen, wegzutragen oder durcheinanderzuwürfeln. Besonders die gegenstandslose Welt von Kasimir Malewitsch fällt dem Künstler und seinen Helferlein zum Opfer: Das »Schwarze Quadrat«, laut Künstler eines der »strapaziertesten Kunstwerke der Moderne« ist viel zu gewichtig, um von Charly Brown an der Drachenschnur hochgezogen zu werden. Dafür läutete es 2011 für Hank Schmidt in der Beek und seine Protagonisten die »Drachensaison in der gegenstandslosen Welt« ein.

103 Collagen sind in der gleichnamigen Ausstellung zu sehen, der Großteil eigens dafür entstanden. Hank Schmidt in der Beek (geb. 1978 in München) hat an der Hochschule für Kunst und Gestaltung in Offenbach und an der Brüsseler Académie royale des beaux-arts studiert. Er lebt in Berlin und ist in vielen Sparten unterwegs: als Landschaftsmaler, aber auch als Dichter, Sänger und Texter. Mit seinen Collagen lenkt er einen gleichsam unverfrorenen wie unvoreingenommenen Blick auf die Moderne. Er sieht sein Vorgehen nicht nur humoristisch, sondern empfindet es auch als Befreiung von der Schwere, die ihm von der Kunstgeschichtsschreibung zugemutet worden ist. Dabei zollt er Popkultur und Kunstgeschichte gleichermaßen Respekt: Beide Welten sollen sich nicht nur ineinander verschränken, sie verneigen sich gewissermaßen voreinander, sind sie doch beide welt- und generationenumspannende Bestandteile unserer Kultur und schon vor 50 Jahren miteinander in Verbindung getreten. Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Mel Ramos – sie alle haben dem Comic in ihrer Kunst Referenz erwiesen und stilprägend gewirkt.

Im Künstlerindex zur Ausstellung mischt sich hierarchielos alles, was Rang und Namen hat: Josef Albers und Asterix, Andy Warhol, Bart Simpson, Wickie, Marcel Duchamp, Snoopy, Man Ray, Yves Klein, Kater Carlo und viele mehr. Darunter auffallend wenig weibliches Personal: Unter den rund hundert gelisteten Namen finden sich nur Lucy von den Peanuts, Daisy Duck und die Hexe Madam Mim, die Pferdeheldin Wendy Thorsteeg sowie die Künstlerinnen Hannah Höch, Olga Rosanowa und Jo Baer. Ungeachtet dessen sind die Einfälle großartig. Nichts ist schwer, tragend oder erklärungsbedürftig, Wenn man sich den Arbeiten entspannt nähert, kommt man mit einem Lächeln aus der Ausstellung heraus. Tut gut in Zeiten wie diesen! ||

HANK SCHMIDT IN DER BEEK – DRACHENSAISON IN DER GEGENSTANDSLOSEN WELT
VS–Interimsquartier des Museums Villa Stuck | Goethestr. 54 | bis 16. Feb. 2025 | Di bis So 12–20 Uhr, erster Fr im Monat | 18–22 Uhr | Eintritt frei | 12. Dez., 18 Uhr: Einblicke-Führung mit Anne Marr | 29. Dez., 12 Uhr: Führung der MVHS | Info und das weitere Begleitprogramm

Weitere Ausstellungsbesprechungen finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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