Gleich mit zwei Filmen ist Werner Herzog im Dezember vertreten. Einen gibt’s im Kino, den anderen auf Netflix zu sehen. Wir sprachen mit dem Kultregisseur über Chemie bei der Besetzung, Ufos in Bolivien und sein Geheimnis, wie er auch die ganz großen Stars für seine Filme gewinnt.
Mit welcher schauspielerischen Performance konnte Sie Veronica Ferres derart überzeugen, dass Sie ihr die Hauptrolle in Ihrem neuen Spielfilm »Salt and Fire« angeboten haben?
Es ist so, dass ich das gar nicht im Einzelnen benennen könnte, aber ich hatte sie seit sehr vielen Jahren auf dem Radar und hatte immer das Gefühl: Die ist unterfordert. Und ich glaube, es gehört eben zu meinem Beruf, zu sehen: Da ist jemand, der hat etwas in den Knochen, da ist viel mehr noch da, als man bisher gesehen hat!
Sie ist zugleich auch Mitproduzentin Ihres Films.
Wir hatten da eh schon länger über ein Projekt gesprochen, das sich dann durch »Salt and Fire« endlich realisieren ließ: Jetzt war die Chance da – und dafür war sie auch genau die richtige Wahl.
Zusammen mit ihr haben Sie nach »Queen of the Desert« mit Nicole Kidman erneut mit internationalen Schauspielgrößen gedreht: Wie schaffen Sie das immer wieder ohne großes Budget im Rücken?
Die Frage für mich bei der Besetzung lautete: Wer passt von der Chemie her am besten zu Veronica Ferres? Sie wird ja im Film gekidnappt. Da war für mich schnell klar: Das muss unbedingt Michael Shannon machen. Der ist aus meiner Sicht der Beste in seiner Generation. Zusammen vielleicht mit Joaquin Phoenix.
Mit dem Sie ja ebenfalls schon mehrfach drehen wollten, weil er alles mitbringen würde für eine Hauptrolle in einem Werner-Herzog-Film …
Den habe ich in der Tat schon sehr lange im Visier. Es hat sich leider bisher nie eine richtige Rolle für ihn ergeben, und dann war er im nächsten Moment entweder beschäftigt oder, ich sag’s mal vorsichtig: erkrankt. Trotzdem sind die Schauspieler, das wissen sie auch, bei mir immer besser als irgendwo anders. Das betrifft Kinski, das betrifft Nicolas Cage, das betrifft Nicole Kidman: Das betrifft sie eigentlich alle! Nicolas Cage war beispielsweise nie besser als in »Bad Lieutenant«
Die Kontaktaufnahme mit Ihnen als Handygegner war allerdings gar nicht so leicht. Sie fremdeln ja etwas mit den modernen Kommunikationsmedien.
Das stimmt so nicht! Sie können mich oder meinen Bruder innerhalb weniger Sekunden über meine Website kontaktieren. Und am Ende erreicht mich das Wichtige schon, keine Sorge. Dann antworte ich auch sofort bzw. eben mit neun Stunden Zeitunterschied. Im Grunde nutze ich das Internet schon auch zum E-Mail-Schreiben.
Zudem haben Sie gerade Ihre filmischen wie literarischen Arbeiten und Materialien der Deutschen Kinemathek in Berlin und dem Filmmuseum München übergeben, wo auch im Oktober zum ersten Mal der »Werner-Herzog-Filmpreis« verliehen worden ist. Warum eigentlich? Preise sind in Ihren Augen doch total überflüssig.
Es war ein langer Prozess, an dessen Ende ich entschied, ich gebe alles, was ich habe, in die Stiftung. Eine Stiftung ist für mich wie eine Festung. Die soll allerdings auch nicht einfach nur herumsitzen und vor sich hin dröseln. Deshalb bin ich sehr froh, dass sie ihren physischen Sitz unter dem Dach des Münchner Filmmuseums hat, das ich sehr schätze. Natürlich setzen wir mit diesem Preis auch auf Aktivität: Er kann für die Leistung eines Regisseurs verliehen werden, an einen Kameramann, einen Schauspieler, an wen auch immer. Es muss aber in gewisser Weise innovativ sein, und der Preisträger muss eine besonders große und mutige Vision haben.
Im Filmmuseum wurde zum Abschluss des Werner-Herzog-Filmpreis-Wochenendes auch Ihre zweite neue Produktion zum ersten Mal in Deutschland gezeigt: »Into the Inferno«, den Sie für Netflix produziert haben. Darin gehen Sie als Filmemacher erneut große Risiken ein und suchen die aktivsten Vulkane der Erde auf. Sporadisch unterrichten Sie daneben auch noch in Ihrer eigenen Filmschule. Altersmüdigkeit kann man Ihnen wirklich nicht vorwerfen.
Ja, Sie sehen: »Into the Inferno« ist schon fertig und »Salt and Fire« startet im Dezember in Deutschland. Das sind nur zwei abgeschlossene Projekte. Ich habe inzwischen schon wieder fünf neue in der Mache.
Hätte sich für Sie als Dokumentarfilmemacher das Setting von »Salt and Fire« nicht auch für einen nonfiktionalen Essayfilm zum Thema Umweltschutz oder Grenzerfahrungen bestens geeignet? Sie haben dafür ja in Bolivien auf 4000 Metern Höhe in einer gigantischen Salzwüste gedreht.
Nein, das stand eigentlich nie zur Debatte. Die ganze Geschichte selbst sollte allerdings ursprünglich am riesigen, ausgetrockneten Aralsee spielen, wo es eine ganze Fischereiflotte gibt, die jetzt auf Sand sitzt. Da war nur sehr schnell klar: Das können wir nicht machen, auch logistisch gesehen.
Das nächste Hotel liegt 400 Kilometer entfernt. Und ein chinesisches Konsortium zerlegt seit einigen Jahren diese Fischereiflotte in Einzelteile aus Altmetall. Und so war das Ganze einfach todlangweilig anzuschauen. Von daher war recht schnell klar: Es muss eine andere, sehr stilisierte Landschaft sein. Ich dachte zuerst an die Bonneville Salt Flats in Utah, aber das hat mir nicht so sehr gefallen. Und so kam ich auf den Drehort Bolivien.
Der ebenso stark stilisiert ist …
Ja, im Grunde ist das ein Science-Fiction-Ort. Es wird ja auch viel von Aliens geredet und einem Ufo, das dort landet.
Um sich dann im Finale in ein noch außergewöhnlicheres Setting zu verwandeln …
Der Schluss ist dann eine ganz bizarre Sache: Eher wie ein Scherz, wie man Aliens anlocken kann. Im Übrigen: Diese riesige Salzwüste ist die größte Ebene der Welt. Sie wird tatsächlich, wie Sie es auch in den Dialogen hören, von Satelliten benutzt, um genauestens kalibrieren zu können.
Das Ganze wirkt zum Ende hin wie ein surrealer Fiebertraum. Wovon träumen Sie eigentlich?
Ich träume nie.
Gibt es denn mit 74 Jahren noch Dinge, vor denen Sie wirklich Angst haben?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin jemand, der immer nach vorne schaut, der sich quasi weiter und weiter nach vorne pflügt. Was immer mir in den Weg geworfen wird: Damit habe ich mich auseinanderzusetzen.
Es gibt viele Stimmen, die meinen, dass Sie als weltenwandelnder Bayer der Einzige wären, der einen gelungenen Film über Ludwig II. drehen könnte. Würde Sie so etwas als Wunschstoff noch reizen?
Über Ludwig II. gibt es ja schon einen sehr guten Film von Syberberg – »Requiem für einen jungfräulichen König« – da muss ich mich nicht auch noch dranmachen.
Wie könnte ein Film von Werner Herzog über den Tod aussehen?
Keine Ahnung, das würde mich jetzt auch als Thema nicht sonderlich interessieren. Sehen Sie: Ich bin weiterhin mitten in der Arbeit, habe viele neue Projekte und glaube jetzt auch nicht, dass ich in den nächsten drei Wochen aufamseln werde.
Fürchten Sie ihn denn gar nicht?
Nein. ||
SALT AND FIRE
USA, Deutschland, Mexiko 2016 | Regie: Werner Herzog
Mit: Michael Shannon, Veronica Ferres | 93 Minuten
Kinostart: 8. Dezember
INTO THE INFERNO
Österreich, GB 2016 | Dokumentarfilm | Regie: Werner Herzog,
Clive Oppenheimer | 104 Minuten | als VOD bei Netflix
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