Wenn ein Kreativquartier keine Currywurstbude werden soll, warum dann ein Stadttheater? Für mich ist Theater immer noch gültig als moralische Anstalt. Für Matthias Lilienthal offenbar auch. Auch wenn wir nicht dasselbe meinen. Ein Stadttheater ist für mich kein soziokulturelles Zentrum. Wie ein solches mit prall vollem Programm gut vernetzt in der Bürgerschaft funktioniert, kann man zum Beispiel an der Pasinger Fabrik sehen. Vielleicht ist der einzige Unterschied zwischen den Kammerspielen und der Pasinger Fabrik neben der Lage die Tatsache, dass es in den Kammerspielen ein Schauspielerensemble gibt.
In einem soziokulturellen Zentrum braucht man das nicht. Wenn ich ins Theater gehe, will ich berührt werden. Und nicht nur eine mehr oder weniger gelungene Diskurslektion absitzen. Ich will Geschichten hören und sehen, ich will, dass mir jemand was erzählt, was mich anders aus dem Theater rausgehen lässt, als ich hineingegangen bin. Ich will lachen und mich fürchten, ich lasse mich auch zu Tränen rühren und manchmal ärgere ich mich. Aber die schlimmsten Abende sind die, die mich nichts angehen. Das ist verlorene Lebenszeit.
Allerdings möchte ich angesichts der hochgekochten Diskussion (die so schnell abkühlen wird wie immer) meinen gesunden Menschenverstand nicht verlieren: Die Frage, was das Kammerspiel-Theater will und soll, ist ein Luxusproblem. Wenn ich mein Theater auf der einen Straßenseite nicht finde, gehe ich halt auf die andere. Oder in eins der vielen anderen Häuser in unserer an Kultur übervollen Stadt. Oder ins Kino. Oder ich bleibe zu Hause: Netflix bietet auch hervorragende Alternativen, wie man den Abend auf hohem Niveau verbringen kann.
Eine Frage werde ich dennoch nicht los: Sind die Kammerspiele wirklich der richtige Ort für Matthias Lilienthal? Er wäre für mich die Idealbesetzung für den Intendanten des Kreativquartiers. Noch ein paar Einführungsstunden im Baggerfahren mit Wolfgang Nöth, und der Erfolgsstory der nächsten 20 Jahre stünde nichts mehr im Weg.
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