Das Puch Open Air bei Jetzendorf feiert sein 35-Jähriges mit viel Sound aus den Nebentälern des Popgebirges.
Puch Open Air 2024
Richtig unabhängig
»Oben: keine Wolke am Himmel. Unten: abgemähte Felder. Dazwischen Mädchen mit gepunkteten Sommerkleidern und Jungs in Dinosaur Jr.-T-Shirts. Unter den Bierbänken steht ein Fender-Verstärker und auf dem Traktor liegt eine Gibson-Gitarre. Manchmal war das Leben wie ein Neil Young-Song, damals im Sommer 1989«, erinnert sich Reiner Sladek an das erste Puch Open Air, das vor 35 Jahren seiner Band Animal Crakers und befreundeten Musikern aus der Umgebung eine Auftrittsmöglichkeit in einer Kiesgrube auf dem Hof des Puchbauern bei Jetzendorf bereitet hatte. Aus Rücksicht auf dort lebende Bienen zog das Festival bald schon auf den Biolandhof der Familie Lehmair in Lueg bei Jetzendorf, wo es sich bald schon als jährliches Ausflugsziel musikinteressierter Menschen aus München, Augsburg und Österreich etablieren sollte.
Obwohl das Festival dabei auch weiterhin lokalen Bands ein Forum bot, konnte es zunehmend nationale und internationale Größen für sich gewinnen, die in der Fachpresse zu den Besten der jeweils aktuellen Independent-Musik-Bewegung gerechnet wurden. Der Erfolg des Festivals stellte deren Veranstalter allerdings noch vor weitere Probleme: Wie konnte man verhindern, dass noch mehr Zuschauer das Festival besuchen würden und damit die Gemütlichkeit gefährden, die das Konzerterleben auf dem kleinen Hügel vor dem Waldrand so besonders macht? Andererseits mussten die Veranstalter ob der unsicheren Wetterlage oft genug hoffen, dass überhaupt ausreichend Menschen kommen, damit sie nicht auf den Ausgaben für Bands, Bühne und Technik sitzen bleiben.
Letztlich überzeugte dann aber doch die bewusste Entscheidung der Veranstalter, auf eine Kommerzialisierung zu verzichten, weshalb das Buch Open Air zu den wenigen Independent-Festivals gezählt werden darf, das solchen Namen nicht nur den dort auftretenden Musiker:innen dankt, sondern vor allem der eigenen kulturpolitischen Haltung. Faire Preise, die für die Eintrittskarten ebenso gelten wie für die vor Ort gebotenen Getränke und Speisen, unterstreichen diese Zielsetzung ebenso wiedie Kinderfreundlichkeit des Festivals, das darum auch gerne als konzertantes Ausflugsziel junger Familien genutzt wird.
Die Atmosphäre, die die Zuschauer im Schatten der Apfelbäume vom Hügel aus liegend genießen, während sie auf eine Bühne vor dem Waldrand in einem natürlichen Theatron platziert Musiker:innen abseits des Mainstreams erleben, macht das Puch Open Air zu einem der besten Festivals seiner Art über haupt. Zumal hier das gesamte Programm auch nur auf einer Bühne geboten wird und man sich nicht, wie auf anderen Festivals, dafür entscheiden muss, welche der vielen angekündigten und parallel spielenden Bands man tatsächlich sehen will. Stattdessen erlebt man ein lineares Programm, das abwechslungsreich und dramaturgisch passend die Bands und Projekte aufeinander folgen lässt. Die sehr anspruchsvollen Ideen der jüngst durch Australien getourten Münchner Formation Ippio Payo um den Musiker und Komponisten Josip Pavlov trifft hier etwa auf die nicht minder verspulten Klangspielereien einer Ulla Müller alias Ulla Suspekt.
Das in Köln gegründete Trio Kratzen vereint die Motorik des Krautrock mit dem Minimalismus des New Wave zu einem Sound, der Fans der Düsseldorfer Pre-Wave-Legende Neu! ebenso begeistern kann wie die der Sixties-Helden Velvet Underground. Andreas Binder aus Österreich verwandelt dann als Saló irrwitzig gedichtete Popsongs in herausfordernde Kampfansagen, die dann aber ebenso mitreissend zum Tanzen einladen wie die Rockmusik des Musikerkollektivs Neue Lust. Abgerundet wird das diesjährige Puch Open Air mit einem Auftritt der Formation The Notwist und einem Wiedersehen ihres einstigen Mitstreiters Martin Gretschmann, der diesmal als Acid Pauli die Konzerte auf der Schweinswiese bereichert. ||
35. PUCH OPEN AIR
Jetzendorf | Biohof Lueg 1 (freies Camping, freier Shuttle von S2 Petershausen) | 13. Juli | 16 Uhr | Tickets
Weitere Artikel zum Musikgeschehen in und um München gibt es in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
Orchester in München: Das Programm im Herbst
Digitalanalog Festival 2021: Noch einmal im Gasteig
Musik zum Anfassen: Konzerte für Kinder
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton