Natürlich haben die Münchner Opernfestspiele Klassiker im Programm. Aber es gibt auch Ligeti.
Münchner Opernfestspiele 2024
Willkommen in der Gegenwart!
Das Taktieren des Kunstministeriums bezüglich der auslaufenden Verträge der Leitungsriege der Bayerischen Staatsoper ist unwürdig. Wie kleinkariert wirkt es, dieses subtile Hoffen auf eine bessere, glamourösere Partie, während man doch mit Serge Dorny und Vladimir Jurowski ein Duo in München hat, das nun seit einigen Jahren sehr erfolgreich die Oper von ihrem pompösen Sessel holt, ohne das Publikum zu vergraulen und ohne dieser großen Kunstform die Würde zu nehmen. Das muss man erst einmal schaffen. Aber während Markus Blume sich also weiter windet, wirkt die Eröffnungspremiere der Opernfestspiele 2024 am 28. Juni wie ein großer, sehr gelungener Kommentar dazu: Statt Wagner oder Mozart gibt es Ligeti. Willkommen in der Gegenwart. Die ist bekanntlich zerrissen, uneindeutig, eklektisch. Ein spiegelndes Gefühl, eingefangen als große Parabel in »Le Grand Macabre«.
Das Libretto von György Ligeti und Michael Meschke nach dem Schauspiel »La Balade du Grand Macabre« von Michel de Ghelderode gibt zwei Akte als »Anti-Anti-Oper« vor, wie es Ligeti selbst beschrieb, samt Weltuntergang und Jüngstem Gericht, verkündet von einem drohenden Schwätzer, während die Gesellschaft dem Hedonismus frönt und sich der Apokalypse verweigert. Es gibt durchaus Parallelen zur Gegenwart, nicht umsonst taucht das Werk von 1978 derzeit auf mehreren Spielplänen der großen Häuser auf. Trotz der überdrehten Partitur samt historischen Zitaten, seltsamen Instrumenten, ungewöhnlichen Rhythmen oder ins Groteske verzogenen Koloraturen. Mit Sarah Aristidou als Venus und Chef der Geheimen Politischen Polizei (Gepopo) neben Michael Nagy oder Andrew Hamilton ist die Oper wunderbar besetzt. Und mit dem Regieteam gibt es Zugeständnisse an Münchner Gewohnheiten: Krzysztof Warlikowski und seine Bühnen- und Kostümbildnerin Małgorzata Szczęśniak haben die Münchnerinnen und Münchner in den vergangenen zehn Jahren immer wieder mit märchenhaft psychologischen Deutungen, vor allem von Strauss-Opern, verzückt.
Die zweite Premiere am 9. Juli wirkt mit Debussys »Pelléas et Mélisande« dann vergleichsweise zahm. Obwohl dieses Werk natürlich auch keinen fetten Opernschmelz bietet, sondern eher im fein verwebten impressionistischen Klangbild verhalten von einer tragischen Dreiecksliebesgeschichte erzählt. Inszeniert von Jetske Mijnssen, zeigt sich für die Choreografie des Abends mit Dustin Klein ein ehemaliger Tänzer des Bayerischen Staatsballetts verantwortlich.
Doch Markus Blume zum Trotz: Wem das alles zu abstrakt, zu wenig festlich während der Festspiele ist, der wird trotzdem bedient. Denn die beiden Premieren werden von einem Wagner-Puccini-Schwerpunkt flankiert. Das Größte, Melodieschwelgendste, Harmoniereichste also, womit die italienische und deutsche Musiktheatertradition aufwarten kann. Zwischen »Caritas und Ekstase« geht es darum, was die Opernliteratur in Sachen Liebe so zu bieten hat: »Parsifal«, »Das Rheingold« und »Tannhäuser« treffen auf »La Bohème«, »Tosca« und »La Fanciulla del West«, da bleibt kein Bedürfnis nach großen Bühnengefühlen unbefriedigt.
Wem das alles zu dick ist, der gehe in die Liederabende und Konzerte. Barockkonzerte oder besondere Programme der staatsorchestereigenen Ensembles wie Operabrass oder Opercussion, der Hermann-Levi-Akademie oder des Opernstudios. Starbesetzt sind die Liederabende, etwa mit Jonas Kaufmann, Asmik Grigorian oder Golda Schultz. Und dazwischen gibt es noch die Ballettpremieren der Saison, sowie neue zeitgenössische Ballette von jungen Tanzschaffenden, kuratiert von Angelin Preljocaj. Und sonst kann man ja immer noch auf den Stufen vor dem Nationaltheater abhängen oder die Kunst des australischen Malers Jonny Niesche anschauen, dessen vom Glamrock inspirierte Farbverlaufbilder die Oper zur Festspielkunst ernannt hat und der das Portal für die Festspielzeit gestalten wird. ||
OPERNFESTSPIELE
Nationaltheater | Max-Joseph-Platz 2 | 28. Juni bis 31. Juli | Tickets: 089 21851940
Weitere Vorberichte finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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