Jan-Philip Gloger verdichtet Schillers »Wallenstein« am Staatstheater Nürnberg zum psychologischen Drama.

Wallenstein

Der Krieg kennt kein Erbarmen

wallenstein

Wallenstein (Tjark Bernau) und Gräfin Terzky (Karoline Reinke) | © Konrad Fersterer

Das tonnenschwere Monstrum mit der Anmutung einer Betonplatte, das hoch über den Köpfen der Schauspieler schwebt, lässt ahnen, dass es im Verlauf von Jan Philipp Glogers subtiler »Wallenstein«-Inszenierung noch eine entscheidende Rolle spielen wird. Nach der Pause beginnt es sich nämlich langsam, aber stetig zu senken und so den Handlungs- und Bewegungsspielraum von Schillers Hauptfigur immer mehr einzuschränken. Und zwar just dann, als der ewig zaudernde Feldherr in fataler Verkennung der eigenen Lage denkt, seine »Brust« sei nun endlich »wieder frei« und er könne zur Tat schreiten, nachdem sein Verrat am Kaiser offenbar geworden ist und er geächtet wurde. Das Gegenteil ist der Fall.

Oben auf der kaltgrauen Platte gibt sich Janning Kahnert als sein einstiger Vertrauter und nunmehriger Widersacher Octavio Piccolomini siegesgewiss, während darunter der stark aufspielende Tjark Bernau als Wallenstein gezwungen ist, den Kopf einzuziehen und den Rücken zu krümmen, um überhaupt noch agieren zu können. Schließlich muss er in die Knie gehen und dann, dann ist Wallenstein tot, ermordet von einem seiner einst treu ergebenen Generäle. Den Mord selbst zeigt Schauspieldirektor Gloger nicht. Ihm genügt es, dass das am Ende zur Gänze heruntergelassene Trumm eine auf dem Boden stehende Kerze zerquetscht. Ein einprägsames Bild für den Umstand, dass der in all seine Widersprüche verstrickte Wallenstein von Kräften zermalmt wurde, die er nicht mehr beherrschen konnte. Wohlgemerkt: politischen, und nicht astronomischen! Der historische Feldherr glaubte ja wirklich, sein Schicksal aus den Sternen lesen zu können.

Tjark Bernau und Pius Maria Cüppers, der Wallensteins Astrologen Seni spielt, hocken immer wieder gemeinsam stumm auf der Bühne und blicken durch ein Fernrohr. Doch was wollen sie dort sehen? Über ihnen gibt es keinen gestirnten Himmel, nur die Betonplatte, die das Kraftzentrum der von Franziska Bornkamm entworfenen Bühne bildet und neben der bedrohlich vor sich hin grollenden Elektrokomposition von Kostia Rapoport das einzige Zugeständnis ans Hier und Heute ist. Im scharfen Kontrast dazu stehen die von Annelies Vanlaere entworfenen Kostüme, die aussehen wie aus einem Mantel- und Degenfilm: Rüschenhemd, Halskrause, Federbusch. In Verbindung mit der auf eindrückliche Hell-Dunkel-Effekte abzielenden Beleuchtung von Frank Laubenheimer drängt sich der Eindruck von Rembrandts ikonischem Gemälde »Die Nachtwache« auf.

Nach dem »Don Karlos« in der vorigen Spielzeit ist »Wallenstein« das zweite Schiller-Drama, das Jan Philipp Gloger in Nürnberg auf die Bühne bringt. Blickt man auf seine Nürnberger Aufführungsgeschichte, könnte man sagen: Es wurde Zeit! Zuletzt konnte man das gewaltige Stück hier vor mehr als 65 Jahren erleben. Was deshalb verwundert, weil sich darin viele regionale Bezüge finden. So entstand auf Geheiß Wallensteins unweit von Nürnberg im Jahr 1632 das größte befestigte Feldlager der Geschichte. Auf der Homepage der Stadt Zirndorf erfährt man die Dimensionen: 50.000 Soldaten, 30.000 Marketender.

Glogers dem Wort verpflichtete Inszenierung verdichtet das Historiendrama zu einem psychologischen. Er zeigt, wie Krieg seine eigenen Regeln zwischen Gehorsam und Pflicht, Treue und Verrat entwickelt und am Ende jeden korrumpiert, beschädigt oder gleich tötet. Auch die Liebe hat darin natürlich keine Chance. Wallensteins Tochter Thekla (Katharina Kurschat), die Octavio Piccolominis Sohn Max liebt, stellt tieftraurig fest: »Der Krieg kennt kein Erbarmen.« ||

WALLENSTEIN
Staatstheater Nürnberg | 2., 9., 15., 23. März, 14., 21. April | 19 Uhr | Tickets: 0180 1344276

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