In Aubing entsteht mit dem Bergson Kunstkraftwerk ein neuer Szene-Treffpunkt. Ein wenig dauert es aber noch.
Bergson Kunstkraftwerk
Im Westen was Neues
Es ist ja nicht so, dass es im Münchner Umland keine schönen Konzertorte gäbe. Das Kulturforum Fürstenfeld zum Beispiel ist ein Schmuckstück der Bürgerhauslandschaft, Gauting kann mit dem Bosco auch nicht klagen, Pullach hat einen schicken Saal und mancher Ort, wie etwa das Kupferhaus in Planegg, wird bislang sogar unscheinbarer bespielt, als es der akustisch hervorragende Konzertraum verdient hätte. Man muss sich also genau überlegen, was sich im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit eines durchaus beschäftigten Großstadtpublikums bewähren könnte. Das Konzept muss stimmen, der Ort sollte markant seinen Wiedererkennungswert haben. Ein leidenschaftlich engagiertes Team macht außerdem Sinn und, na ja, die Finanzierung muss irgendwie auch gewährleistet sein. All das ist an sich gegeben beim Bergson Kunstkraftwerk in Aubing. Seit mehr als einem Jahr geht es bereits zügig voran mit Umbau, Programmplanung und VorabAktivitäten. Wäre die Stadt München und deren Baureferat ein wenig agiler, hätte es wohl schon in diesem Winter mit dem Bergson-Start losgehen können. Die bürokratischen Mühlen jedoch mahlen sehr, sehr langsam und so wird es erst 2024 so weit sein, dass Musik, Kunst, Gastronomie und mehr loslegen können.
Immerhin, das Gebäude ist bereit. Und ein kultureller Vielklang schwebt den Betreibern des Kulturorts vor, der im nächsten Jahr mit Kunstausstellungen, Konzerten und einem Restaurant nebst Tagesbar und Biergarten zu einem Ausflugsziel im Münchner Westen avancieren möchte. Gegenfinanziert wird dieses vom Familienunternehmen Allguth initiierte Projekt von privaten Events wie zum Beispiel Firmenfeiern, die in den umgebauten Räumlichkeiten des ehemaligen Heizwerks vom Bergson-Team auf die individuellen Bedürfnisse seiner Kunden maßgeschneidert werden können. Im Gegenzug leistet sich das Team, dem auch die Jazzrausch Bigband angehört, einen Konzertsaal mit einem eigens dafür entwickelten elektroakustischen Raumklangsystem. Es ermöglicht in einem Raum mit absorbierenden Wänden, wie sie vor allem für elektrisch verstärkte Musik sinnvoll sind, auch akustische Konzerte, indem der von versteckten Mikrofonen eingefangene Klang künstlich so verlängert wird, dass er überall im Zuschauerraum als die schon von Thomas Mann vergötterte Fülle des Wohllauts erlebt werden kann.
Wenn indes umgekehrt elektrisch verstärkte Musik in akustischen Konzerträumen mit dem für die akustische Musik notwendigen Nachhall aufgeführt wird, so betont Maximilian Maier vom Bergson Kunstkraftwerk, kann diese dort eben nicht mehr trennscharf wahrgenommen werden. Konzerte von Rockmusikern, aber auch von der elektrisch verstärkten Jazzrausch Bigband stoßen darum in Konzertsälen wie der Isarphilharmonie immer wieder an ihre Grenzen, die es nun in der eigenen Komfortzone im Bergson nicht mehr geben soll. Aktuell ist das allerdings nur ein vollmundiges Versprechen. Tatsächlich gibt es im ehemaligen Aubinger Heizwerk, das lange auch für illegale Technopartys, Pornodrehs und Sprayer-Aktionen genutzt wurde, ja noch nicht einmal Strom, räumt der Betreiber ein. Trotzdem gibt es schon ein Kollektivbewusstsein der am Bergson beteiligten Künstler, Musiker und Mitarbeiter, die bis zur Fertigstellung ihres eigenen Domizils ihre Events auswärtig veranstalten.
So gibt es zum Beispiel zwei Weihnachtskonzerte am Samstag, den 16. Dezember 2023 in der Isarphilharmonie im Gasteig HP8, in denen die Jazzrausch Bigband auf die Münchner Symphoniker trifft. Zudem wird das Bergson derzeit in einem 600 Quadratmeter großen Popup-Store direkt am Marienplatz vorgestellt, der montags bis samstags von 10 bis 19 Uhr geöffnet ist. Lesungen, Konzerte und Ausstellungen finden da schon jetzt im kleinen Rahmen statt. Weil die Kochkunst ebenso im Bergson geschätzt wird, werden zudem auch im Inforaum am Marienplatz kleine Speisen geboten. Das Bergson selbst soll darüber hinaus auch als Akademie dienen, in der ein gesellschaftliches Miteinander beispielsweise philosophisch oder sozialwissenschaftlich diskutiert werden kann. Bleibt nur zu hoffen, dass solches Kulturangebot am Ende nicht wieder von ruhebedürftigen Nachbarn ausgebremst wird, wie es in München ja leider öfters passiert. Entsprechend bemüht sich das Bergson schon im Vorfeld um eine gute Nachbarschaft, indem es zum Beispiel die Anwohner vorab schon zu eigenen Führungen durch das Bergson einlädt. »Letztlich soll das Bergson ja auch mit seiner Stadtteilkultur die Wohnqualität in Aubing erhöhen«, sagt Maier. Bleibt zu hoffen, dass das vielfältige Konzept auch aufgeht. ||
BERGSON KUNSTKRAFTWERK
Am Bergson Kunstkraftwerk 2, Aubing | ab Frühjahr 2024 | Bergson Pop-up am Marienplatz | Mo bis Sa 10–19 Uhr | Kontakt: 089 444434800
Weitere Artikel zum Kulturgeschehen in München finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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