Auch im zweiten Teil seiner »Sphinx von Giesing« füllt Stefan Kastner einen kleinen Raum mit maximal vielen Ideen.
Wo anfangen, wenn man sich nicht schwindelig schreiben will? Das ist stets die Frage, wenn Stefan Kastner ein neues Werk auf die Bühne gehoben hat. Selbst wenn diese Bühne im schnuckelig kleinen Hofspielhaus steht, in dem kaum Platz ist für absurd fruchtbare heilige Hühner auf Selbstfindungs-Welttournee, metzelnde Markomannen-Krieger und riesige Chöre.
Drei Typen trugen bereits den ersten Teil der »Sphinx von Giesing«: Isabel Kott als Ella, die schon wieder nicht beweisen darf, was für eine unglaublich gute Verteidigerin sie ist, weil Berti Vogts, den sie in der Nationalmannschaft bei der Fußball-WM 1974 hätte vertreten sollen, wieder gesundet ist. Man träumt groß auf und unter dem Rasen des FC-Giesing, in den sich dessen Präsident wochenlang
hineingewühlt hat – unter dem Perlacher Forst hindurch bis Forstenried und Deisenhofen –, weil da der Schatz der Pharaonentochter vergraben sein muss oder mindestens die Hafeneinfahrt von Alexandria. Dafür kann er jetzt mit der Oma wunderbar breittreten, ob es vom Wirt in Forstenried großzügig oder knickrig war, dem vielleicht nicht Weltreisenden, aber zumindest fleißigen München Untergraber zwar den Wurstsalat zu spendieren, aber nicht die zwei Halben.
Mit derlei staubtrocken vorgebrachten Debatten lauscht »Die Sphinx von Giesing – 2. Teil« so tief in die Geistesverfassung von Menschen hinein, die man heute kaum noch auf der Bühne findet. Und wenn, dann wird diesen Skrupellos-Naiven nicht so viel Liebenswürdigkeit und Melancholie zugestanden. Kastner dagegen setzt seine Figuren schon seit Jahren beherzt und zugleich sacht hinein in das Niemandsland zwischen banalster Gschaftlhuberei und philosophischen oder gar göttlichen Missionen. Nichts ist ihnen je zu hoch oder zu niedrig gewesen.
Den Besuch der Aufführung wert ist schon allein die gleichbleibend stoische Haltung von Rainer Haustein als der Präsident, wenn er von Inge Rassaerts als Oma in die Erörterung seiner Brautschau Chancen bei einer Tankstelleneröffnung in Allach hineingezogen wird oder in einer von
vielen Videozuspielungen die »Sphinx« (Hofspielhaus-Chefin Christiane Brammer) auf den Wirtshaustisch legt, als wäre es das Normalste der Welt. Nicht zu reden von Isabel Kott, bei der man sich bei jedem Kastner-Stück fragt, warum sie nicht viel präsenter ist in der Münchner freien Szene.
Dass der philosophische Über- oder Unterbau diesmal weitgehend fehlt, fällt kaum ins Gewicht. Dafür hat sich der AutorRegisseur für sein Sphinx-Doppel ein schön schräges Äquivalent für die heiligen Hühner ausgedacht und eine Möglichkeit, auch den Müttergesangsverein wieder auf die Minibühne zu holen: Als schlesische Witwen, die sich so schön im Wind wiegen und mit ihrem wundersamen Urin nicht nur den Park von Schloss Linderhof wässern könnten, sondern auch den grabungsgeschädigten Giesinger Fußballacker. Kämen nicht just zur Unzeit Ellas Melonen-Freunde von ihrer Recherche in der »Weite des Seins« zurück. Hingehen! ||
DIE SPHINX VON GIESING – 2. TEIL
Hofspielhaus| Falkenturmstr. 8 |5. Nov.
20 Uhr | 6. Nov.| 18 Uhr |6., 7. Jan.| 20 Uhr
Doublefeature Sphinx I + II | 23. Nov.| 20 Uhr
4. Dez.| 18 Uhr | Tickets: 089 24209333
www.hofspielhaus.de
Das könnte Sie auch interessieren:
Vanessea Eckart & Katharina Müller-Elmau: Simon & Garfunkel-Tribute
Julia Windischbauer: Interview zum Film »Sonnenplätze«
May Ayim: Poesie-Abend am Residenztheater
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton