Im Münchner Südpark zeigen 16 Künstler:innen auf der Naturkunst-Biennale SüdpART Werke, die einzig aus den Materialien des Ortes geschaffen wurden.
SüdpART 2023
Zum Wohl des Waldes
Wo man hinschaut, dreht sich alles um den Kreislauf. Zwar auch um den bei zu viel Hitze kollabierenden körperlichen, aber viel mehr noch um den stofflich-realen, materialhaften – wenn man so will. Man initiiert zirkuläre Praktiken und Ideen. Womit man den Planeten und sein Klima noch zu retten hofft. Die EU will mit einem ambitionierten Programm (etwa: New European Bauhaus) die Kreislaufwirtschaft forcieren. Kreative Architekten versuchen mit Urban Mining und Harvesting die Wiederverwendung alter, gebrauchter Baustoffe anzukurbeln, da sie »graue« Energie beinhalten, Transportwege sparen, Ressourcen schonen, nachhaltiger sind. Designer versprechen »Circular Design«. Selbst Kulturinstitutionen versuchen mit unterschiedlichen Initiativen, etwa mit »green screening«, einer systematischen Erfassung der Umwelteinflüsse, nachhaltiger zu werden. In der praktischen Umsetzung hapert es allerdings allenthalben gewaltig, weil die Welt nach Jahrzehnten des Raubbaus an Natur und Ressourcen auf einen solchen Paradigmenwechsel gelinde gesagt nicht so ganz richtig vorbereitet ist.
Zeit also, sich mal die gelungeneren Projekte, die es auch gibt, genauer anzuschauen. Um vielleicht auf gute Ideen für die weitere Umsetzung zu kommen. In Sachen Kunst ist ein geradezu radikales Projekt die seit 2016 abgehaltene Naturkunst-Biennale SüdpART im Münchner Südpark, den man auch als Sendlinger Wald kennt. Die Initiatorin Lore Galitz, die ihre Inhalte als Künstlerin, Kuratorin, Ritualleiterin und Autorin umsetzt, hat das nichtkommerzielle Projekt damals freilich nicht angestoßen, um die Welt zu retten. Sondern weil ihr der von einem gewaltigen Sturm namens Niklas malträtierte (ihrer Wohnung benachbarte) Wald leid tat. Schrecklich leid. Klimaveränderung, Trockenheit, Schädlingsbefall haben diesem Wald, der den deutschen Romantikern mit ihrem Faible für den »Deutschen Wald« einst hätte als Vorbild dienen können, so zugesetzt, dass er nicht wiederzuerkennen war. Bäume mussten gefällt werden, um den Borkenkäfer zu stoppen. Es entstanden kahle Brachen, die einem das Herz bluten ließen. Lore Galitz sagte sich damals: Es ist passiert, es lässt sich nicht ändern. Aber mach etwas Positives draus! Lore Galitz schreibt sich erstmal nicht Reparatur auf die Fahnen. Zuerst macht sie sich – und damit vielleicht auch ihren Betrachtern – bewusst, worum es geht. Sie eignet sich den Ort, an dem etwas entstehen soll, in einer Art Initiationsritual an. In den dann entstehenden Installationen geht es ihr nicht so sehr um das Objekthafte. Die Kraft und Symbolik natürlicher Materialien – etwa Fundhölzer, Erde, Sand, Wolle, Samen und manchmal sparsam aufgetragenes Gold – sollen kontemplative Räume und eine atmosphärische Intensität schaffen. Man soll sich als Teil des Ganzen erleben und sich so an die eigene innere Weisheit herantasten können. Dass so etwas als Projekt in größerem Rahmen mit mehreren beteiligten Künstler:innen auch ganz praktisch funktionieren kann, zeigt Lore Galitz mit SüdpART.
Bei diesem Projekt im Wald sind nämlich für die Anfertigung der Kunst nur Materialien erlaubt, die direkt vor Ort gesammelt werden: Totholz, Tannenzapfen, Brombeerruten, Gräser, Blätter, Steine, Moos oder Reste von Rinden. Selbst die wenigen Farben, die verwendet wurden, stammen aus diesem Wald. Und die Verbindungselemente sind aus natürlichen, dort vorkommenden Werkstoffen gemacht. Denn diese Kunst soll nicht ewig bleiben. Sie wird prinzipiell auch nicht abgebaut, sondern verschwindet wieder durch natürlichen Prozess. Sie verrottet, der Wind entfacht zerstörerische Kräfte, oder diverse Lebewesen sorgen für Entsorgung. Etwa Eichhörnchen, die Tannenzapfen wegknabbern. Die Elemente kehren – das ist beabsichtigt – in den Kreislauf der Natur zurück. Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub. Schon die Idee lässt einen an Religiöses und Rituelles denken.
Der klare Ortsbezug und der Prozess der Kunstproduktion führen dazu, dass vor allem ortsansässige Künstler:innen teilnehmen – Galitz schreibt das Projekt öffentlich aus. Man muss sich den Wald schon lange vor Beginn sozusagen aneignen, dann gibt es eine einmonatige Aufbauphase, während der man vor Ort sein sollte. Und am besten, klar, mit dem Fahrrad anreisen. Dabei sind 16 interessante Objekte und Installationen entstanden, die mit dem umweltverträglich auf Recyclingpapier gedruckten Lageplan entdeckt werden können. So hat Manuela Müller etwa den Wald aufgeräumt. Sie sortierte in einem größeren Areal die herumliegenden Äste, legte sie in derselben Richtung, »genordet«, wieder auf den Boden. Läuft man dran vorbei, entsteht das unbestimmte Gefühl, dass hier etwas anders ist. Das steigert die Aufmerksamkeit und ist Inspiration für die Sinne.
Vielen Arbeiten wohnt freilich, neben der ernsthaften Auseinandersetzung, auch ein vergnüglicher Aspekt inne. Andreas Bejenke zeigt etwa einen Erdtrichter, in den man hineinkriechen kann, um sich wörtlich mit der darin befindlichen aufgegrabenen Erde zu verbinden, die ja eine, global gesehen, wackelige, sich ständig verschiebende Konsistenz hat. Gut entwickelten Geruchsinn vorausgesetzt, lassen sich in diesem Raum angeblich die olfaktorischen Qualitäten der (Wald-)Erde gut nachprüfen. Eine Art Skywalk für Eichhörnchen schuf Susanne Damm, die der geheimen Struktur der luftigen Wege dieser Waldbewohner auf die Schliche kam: Sie bildete sie mit hellen, erdfarben bemalten Ästen nach und macht sie so für uns sichtbar. Tiefdunkles Holz hingegen sammelte Irmi Wahl und zeichnete damit den Schattenwurf eines Baumes – verkehrt herum – auf den Boden. Während Frauke Feuss einer Baumreihe mittels geflochtenen Kapitellen und Säulenfüßen die Anmutung eines griechischen Tempels verlieh – viel Fantasie des Betrachters vorausgesetzt. Zum Lachen bringt uns Günther Heinrich mit seiner Baumskulptur, die mittels eingearbeiteter rötlicher Äste die Anmutung eines Drachens hervorruft und auf jedem Kinderspielplatz für Begeisterung sorgen würde. Lore Galitz führt uns dann mit ihrer geflochtenen Kugel wieder zur Idee der partizipativen Weltgemeinschaft zurück. Wer vorbeikommt, darf mit ein paar Zweigen den Planeten weiterbauen. ||
SÜDPART
Bis 14.Oktober | tgl. 0 bis 24 Uhr | Eintritt frei | Startpunkt mit Lageplan-Ausgabe am Parkplatz: Inninger Str. 30 | Führungen, Anmeldung: mail@suedpart.de | weitere Infos
Fotoausstellung in der Stadtbibliothek am Harras | Albert-Roßhaupter-Str. 8 | bis 7. Oktober | Di–Fr 10–19 Uhr, Sa 10–15 Uhr
Weiteres zum Kunstgeschehen in und um München finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
Das könnte Sie auch interessieren:
Stefan Hunstein: »Von Ewigkeit zu Ewigkeit« in der Kirche St. Paul
Galerie Britta Rettberg: Aktuelle Installationen | MF Online Deluxe
Venedig. La Serenissima - Die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton