Politik findet den Weg ins Musiktheater. Nach dem Musical »Mata Hari« steht nun »Luisa Miller« auf dem Programm.
Luisa Miller
Durch die Opernblume
»Sie werden einem schönen Tod beiwohnen« tröstete Margaretha Geertruida Zelle die sie zum Hinrichtungsplatz begleitende Nonne. Dann legte sie stolz und selbstbewusst am 15. Oktober 1917 die Augenbinde ab, wurde um 6.15 Uhr im Festungsgraben des Schlosses Vincennes als »Spionin Mata Hari« erschossen und fast unsterblich, über viele Bücher und Filme eben bis hin zur jetzigen MusicalUraufführung. Längst greift dieses musikalische Genre ja ernste Themen auf, so auch jetzt das Autorenduo Marc Schubring und Kevin Schroeder. Sie wollen in einer szenisch-dramaturgisch-musikalischen Zweiteilung im Wechsel zeigen: das herbe Frauen- und Mutterschicksal von »Griet« Zelle und ihre glamourös-skandalöse Karriere als Nackttänzerin und Lebedame zwischen deutschen und französischen Offizieren. Ob das gelungen ist, lässt sich derzeit in den laufenden Aufführungen erleben. Auf den Selbstversuch kommt es an. Und es tut sich noch mehr auf der musiktheatralischen Bühne.
»Politisch’ Lied« soll ja seit der Goethezeit ein böses bis garstiges Lied sein. Prompt sind bis heute viele Musikfreunde einschließlich der Opernbesucher meist auf den »schönen Abend« fixiert. Jetzt also Verdi und Politik? An seinen Librettisten Piave schreibt der Komponist: »Die Stunde der Befreiung hat geschlagen … Du sprichst mir von Musik!!! Was ist in Dich gefahren? … Es gibt und es darf nur eine den Ohren der Italiener von 1848 angenehme Musik geben: Die Musik der Kanonen!« Verdi erwähnt »Gewissensbisse«, die er hätte, wenn er »Notenpapier vergeudete, das sich so gut zum Kartuschenmachen eignet«.
Dieser Begeisterung entspricht Verdis finanzielle Unterstützung der neuen »Guardia nationale«, bis hin zum Kauf von 172 Karabinern. Längst hat der Komponist auf der Bühne die gesellschaftskritische Freiheitsliebe Friedrich von Schillers entdeckt und gestaltet: 1845 »Giovanna d’Arco«, 1847 »I Masnadieri« und schließlich 1848/49 »Luisa Miller«. Das Aufeinanderprallen von höfischem Standesdünkel und bürgerlicher Idealität, adeliger Arroganz sowie Intriganz mit humaner Emotionalität in Schillers »Kabale und Liebe« hat ihn angesprochen. Dennoch musste er Zugeständnisse machen. Das begann mit der Umbenennung des männlichen Liebenden von Ferdinand in Rodolfo, weil der damalige neapolitanische König Ferdinando hieß. Dann waren zwei rivalisierende Primadonnen nicht erwünscht, also wurde Lady Milford zur belanglosen Herzogin von Ostheim reduziert, die Rolle des albernen Hofmarschalls von Kalb gestrichen, und Luisa schreibt ihren fatalen Brief an den Intriganten Wurm, was die Schlussszene theatralisch schärft. Torsten Fischer, dem Regisseur der Neuinszenierung am Gärtnerplatz, war ja 2014 im Prinzregententheater eine beeindruckende »Aida«-Aktualisierung gelungen. Ebenso heutig könnte er das Drama zwischen Tochter und Vater Miller, auch den Konflikt unterschiedlicher Herkunft in entsprechend aktuellen Kostümen zeigen. Und jugendlich hochschießende Emotionen bis zum Mord und Selbstmord, die Ablehnung wie die Verklärung der Realität ins Poetisch-Surreale kann mit Verdis Musik aus einer Feier eine Hochzeit machen, kann zur Verdoppelung des eigenen Ich führen. Also Spannung, wie sehr sich erneut ein Klassiker als zeitlos nahe und gültig erweist. ||
GIUSEPPE VERDI: LUISA MILLER
Gärtnerplatztheater | 5., 7., 9., 12. Mai, 3., 6., 10., 20., 22. Juli | 19.30 Uhr (So 18 Uhr)
Tickets: 089 21851960
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