Mit seinem Drama »Broker – Familie gesucht« über das Schicksal ausgesetzter Babys nimmt der japanische Meisterregisseur Hirokazu Kore-eda einem brisanten Thema erfolgreich die Schwere.

Broker – Familie gesucht

Das Leben und nichts anderes

broker

Eine Kleinfamilie der ungewöhnlichen Art | © Plaion Pictures

Spätestens seit seinem sowohl kommerziell erfolgreichen als auch vielfach prämierten »Shoplifters«, der 2018 unter anderem mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichnet wurde, ist der japanische Filmemacher Hirokazu Kore-eda in der internationalen Regieelite angekommen. Mit seinem neuen, in Südkorea entstandenen Werk »Broker – Familie gesucht« widmet er sich – wie der deutsche Zusatztitel bereits impliziert – erneut der Keimzelle aller sozialen Gesellschaftsgefüge, der Familie.

Dabei hat er weniger Blutsverwandte wie Onkel, Schwestern oder Tanten im Fokus, sondern vielmehr Menschen, die sich als ebensolche fühlen und durch Fügungen des Schicksals zueinanderfinden. War es in »Shoplifters« noch eine Bande von Ladendieben, die eine verschworene Gemeinschaft bildete, sind es nun zwei (klein)kriminelle Männer, die mit einem höchst ungewöhnlichen Geschäftsmodell aufwarten: Sie entführen Neugeborene, die von ihren Müttern in einer Babyklappe zurückgelassen wurden, und suchen für sie nach geeigneten (Adoptiv-)Eltern, an die sie die Babys dann für eine erkleckliche Summe Geldes abgeben. Bei dem aktuellen »Diebesgut« der Klapperstörche, wie sie sich selbst bezeichnen, geht jedoch etwas schief. Denn die junge Mutter Soyoung (Ji-eun Lee, verknüpft physische Attraktivität mit enormer schauspielerischer Intelligenz) kehrt plötzlich zurück, schließt sich den beiden Männern Sang-hyun (Song Kang-ho, stieg mit seiner Hauptrolle in »Parasite« zum Weltstar auf und erhielt für »Broker« in Cannes die Goldene Palme als bester Darsteller) und Dong-soo (Gang Dong-won) an und besteht darauf, die Vergabe ihres Kindes entscheidend mitzubestimmen und dabei mitzuverdienen.

Und während sich das ungleiche Trio auf die Reise quer durch Südkorea begibt, heftet sich ein Polizistinnenduo an seine Fersen, um die »Baby-Napper« auf frischer Tat zu ertappen und dingfest zu machen. »Broker«, was im Börsenjargon so viel wie Makler, Vermittler oder auch Zwischenhändler bedeutet, funktioniert nicht nur als Road Movie, sondern auch als Krimi – die beiden weiblichen Cops erinnern ein wenig an Harvey Keitels Polizistenfigur aus »Thelma & Louise« von 1991, die nach und nach mit den flüchtigen Mörderinnen zu sympathisieren beginnt.

Gleichzeitig ist Kore-edas Film aber auch emotionsgeladenes Drama über Menschen, die einst als Waisen zurückgelassen wurden und ihr Leben lang versuchen, mit diesem schwerwiegenden Trauma zurechtzukommen. Mit dem Schlüsselzitat des Films »Danke, dass du geboren bist« plädiert der Regisseur unmissverständlich dafür, dass jedes Individuum ein Recht auf Leben hat. Entsprechend empathisch geht er mit seinen Protagonisten um, deren Charaktere er mit viel Raffinesse und Einfühlungsvermögen zeichnet. Und schließlich verliert Kore-eda bei aller Tragik nie das Leichte, das Komödiantische aus den Augen, wenn er etwa seinen liebenswerten Losern eine unfreiwillige Dusche in der Autowaschanlage verpasst, die kaputte Heckklappe des klapprigen Minivans sich stets in den ungünstigsten Augenblicken öffnet, oder So-young und Dong-soo sehr glaubwürdig ein Ehepaar spielen. »Broker« mag vielleicht nicht die Tiefe und Brillanz von »Shoplifters« besitzen, fasziniert aber gerade deshalb, weil er Inhalte von existenzieller Relevanz scheinbar schwerelos vermittelt. ||

BROKER – FAMILIE GESUCHT
Südkorea 2023 | Regie: Hirokazu Kore-eda | Mit: Song Kang-ho, Bae Doona, Gang Dong-won, Lee Ji-eun | 129 Minuten | Spielfilm | Kinostart: 16. März | Website

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