Beim »Kuckuck Theaterfestival für Anfänge(r)« stehen Bewegung und die Interaktion mit Gegenständen im Mittelpunkt.
Kuckuck Theaterfestival für Anfänge(r)
Sachen suchen, Bäume bauen
»Kuckuck«, ruft es seit 2018. Nicht aus dem Wald, sondern aus der Schauburg, dem Stadtmuseum und der Evangelischen Bildungsstätte. Im vielleicht beginnenden Frühling singen, tanzen und springen Schauspieler, Tänzerinnen und Pantomimen auf den verschiedenen Bühnen des »Theaterfestivals für Anfänge(r)«. Und zwar, um ganz kleinen Kindern ab einem halben Jahr Theater im weitesten Sinne nahezubringen. Dabei geht es weniger um Geschichten, erläutert Alexander Geurtzen von der Evangelischen Familien-Bildungsstätte Elly Heuss-Knapp, sondern mehr um die Sinne. Kleinkinder reagieren ja mehr auf das, was sie sehen und hören, Geschichten können sie noch nicht so richtig folgen. Da stellt sich natürlich in Zeiten, in denen wieder einmal verstärkt deutlich wird, dass Deutschland kein Land der Chancengleichheit ist und Kinder aus sozial schwachen Familien von Geburt an brutal benachteiligt sind, die Frage: Ist das eine elitäre Veranstaltung für den obersten Mittelstand, der es sich leisten kann, bereits seine Babys kulturell zu fördern?
Das Problem ist den beteiligten Spielstätten klar. Deswegen ist die Schauburg, die in ihrem Repertoire sowieso Stücke für ganz kleine Kinder hat, beim Programm Theater mobil/Vierteltakt mit dabei, das in Krippen, Kindergärten und Schulen spielt und so die Kultur zu den Kleinen bringt, ohne dass durch drei Jobs überlastete Eltern das auch noch leisten müssen. Auch bei »Kuckuck« wird zumindest eine Produktion in Kindergärten gezeigt. Die frei verkauften Karten im Theater werden allerdings schon von den typischen, sprich bildungsbürgerlichen, Familien gekauft, ist die Erfahrung von Andrea Gronemeyer, der Intendantin der Schauburg.
Gronemeyer möchte das Theater für Anfänger nicht als Vereinfachung verstanden wissen, sondern als Verdichtung auf Spezifisches. Und da sind die Franzosen und die Dänen seit Jahrzehnten führend. In Frankreich kann das an der fest verankerten Figurentheatertradition liegen oder vielleicht auch an der ausgeprägten Krippenkultur. In Dänemark war es eine dezidiert politische Entscheidung: Es gibt 20 Prozent der Fördermittel für Kinderkultur, weil 20 Prozent der Bevölkerung Kinder sind.
Eröffnet wird »Kuckuck – Theaterfestival für Anfänge(r)« am 24. Februar von der französischen Gruppe La main d’oeuvres mit »Ici et là« (ab dreieinhalb Jahre). Hier (ici) ist das Haus. Là (dort) ist das Draußen. Dort baut eine Frau für jede Jahreszeit einen Baum – mit den Gegenständen aus dem Haus. So wird das Haus immer leichter und kann schließlich mit der Frau tanzen. Licht, Schatten und Musik erzeugen hier die Bilder. Eine verspielt fröhliche Tanzchoreografie zeigt der Franzose Marc Lacourt mit »Monsieur Mutts Mopp« und bezieht sich dabei auf die Ready-mades von Marcel Duchamp. Auf Duchamps umgedrehtem Pissoir von 1917 stand »R. Mutt«. Die Kinder zwischen vier und sechs, für die die Performance gedacht ist, werden sich eher daran erfreuen, dass Alltagsgegenstände (inklusive einem professionellen Wischmopp) sich wie von Zauberhand bewegen. Getanzt wird auch in »Was ist das?« von Aaben Dans aus Dänemark. Die Gruppe, die sowohl Stücke für ganz Junge wie ganz Alte kreiert, ist schwer zu kriegen. Das Festival hat sich schon seit Jahren um sie bemüht, und jetzt hat es geklappt. Eine Tänzerin und ein Tänzer bewegen sich auf einer Fläche aus grauen Platten, entdecken dort erst mal ihre eigenen Körper und dann den Raum. Und da wird es bunt, denn unter den Platten versteckt sich zum Beispiel ein langer bunter Kuschelwurm.
Ums Hören geht es in »Hermit« der Simone de Jong Company aus den Niederlanden für Drei- bis Sechsjährige. Hermit heißt Einsiedler oder Eremit, also jemand, der sich von der Welt abschottet. Auf der Bühne steht eine Kiste mit einigen Klingelknöpfen und Öffnungen, aus denen immer mal Hände und Füße rauskommen. Sonst hört man nur Geräusche und fragt sich: Wer oder was ist da drin? Was macht es da? Und warum kommt es nicht raus?
Vier der acht Produktionen, die zwischen 20 und 45 Minuten dauern, kommen aus Deutschland. Das Puppentheater Zwickau zeigt mit »Brabbeltheater – Ich« sein erstes (und das kürzeste) Stück für Kinder von eins bis drei. In dem musikalischen Lichtspiel erkundet Calum MacAskill mit der kleinen Ukulele die Bühne, und ein Lichtring spielt eine tragende Rolle. Das Junge Nationaltheater Mannheim bringt »Freche Fläche« mit. Cédric Pintarelli, der auch schon auf der Biennale in Venedig ausgestellt hat, malt in dieser Produktion seit zehn Jahren live und legt fast schon eine Tanzperformance mit Pinsel und allerlei anderen Gegenständen hin.
Wer kennt eigentlich noch das Fadenspiel? Dabei wird ein Fadenkreis um die Finger geschlungen und mittels Abheben Figuren erzeugt. Nimmt man den Mund zu Hilfe, kann man etwas entstehen lassen, das wie der Eiffelturm aussieht. Martina Couturier und die Jazzsängerin Mette Hansen haben sich anscheinend dieses Spiel für ihr Musiktheater »Klangfäden« zum Vorbild genommen. Mit dicken Schnüren erschaffen sie grafische Formen und Bilder zu Hansens Gesang.
Ältere Geschwister und Erwachsene dürfen übrigens auch mit. Vor allem zu Heidrun Warmuths »Armer Esel Alf«. Hier wird eine richtige Geschichte erzählt, und in der geht es um Gerechtigkeit, unter Geschwistern immer ein Thema. Alf, der puschelige Esel mit den Knopfaugen, darf nicht mit den Menschen in die Stube. Für ihn heißt es draußen bleiben, während Hund und Katze drin gekrault werden. Alf aber schuftet und rackert, bis er keine Lust mehr hat und ausreißt. Im Publikum will bestimmt jeder den schnuffigen Esel adoptieren. Es gibt allerdings nur eine öffentliche Vorstellung, sonst gastiert Alf nur in Kindergärten. Der Vorverkauf hat begonnen. ||
KUCKUCK – THEATERFESTIVAL FÜR ANFÄNGE(R)
Schauburg/Stadtmuseum/Evangelische Familienbildungsstätte | 24. Februar bis 6. März | Tickets: 089 23337155, 23322347, 5522410 | Website
Weitere Theatervorberichte und -kritiken finden Sie in der akutellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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