Wie schon im letzten Jahr stellt »Das letzte Schaf« von Ulrich Hub die Weihnachtsgeschichte auf Schafshufe. Deshalb gibt es für Sie noch einmal Christiane Wechselbergers Kritik zur Aufführung im TamS Theater.
Das letzte Schaf
Hauptsache, wir haben uns lieb
Nebel und Wind fegen optisch und lautmalerisch über die Cinemascopebühne des TamS, wo zwei recht abgerissene Gestalten in rustikalen Klamotten liegen. Wie Bauern oder Hirten. Aber nein, Helmut Dauner und Axel Röhrle sind die Schafe in der etwas anderen Weihnachtsgeschichte des TamS. »Das letzte Schaf« von Ulrich Hub müsste eigentlich »Die letzten Schafe« heißen, denn es sind zwei. Sie haben das große Remmidemmi verschlafen, das sämtliche Mitschafe, Hunde und Hirten veranlasste, den Weideplatz zu verlassen.
»Hirten müssen immer bei ihrer Herde bleiben. – Die nerven doch nur mit ihren dämlichen Regeln und Maßnahmen«, so die nicht ganz einhellige Meinung der Zurückgebliebenen. Endlich ohne Aufsicht können das eine Schaf (Helmut Dauner) und das andere Schaf (Axel Röhrle) machen, was sie wollen. Heißt: Bocksprünge, Hörnerkämpfe, wild in der Gegend rumrennen, auf der fast olympiatauglichen Tribüne rumklettern (Bühne/Kostüme: Katharina Schmidt, Claudia Karpfinger). Wird aber schnell langweilig. Also schleicht sich das andere Schaf davon, um herauszufinden, was los ist. Seine Infos von einem Ochsen behält es erst mal triumphierend für sich. Nur im Tausch gegen die Zahnspange des einen Schafes ist es bereit, sie zu teilen. Letzteres sorgt sich, was wird, wenn der Wolf kommt, und verfügt eine absurde Wandertagsbürokratie, um gemeinsam den Rummel um das Baby (»Welche Eltern legen ihr Kind in einen Futtertrog für Tiere?«) aufzusuchen. Wie alle Aktionen zwischen den Schafen scheitert das an ihrer Vladimir-und-Estragon-Mentalität, die Regisseur Lorenz Seib lakonisch inszeniert hat.
Der zweite Besuch des einen Schafes, bei dem es einen Esel kennenlernt, führt zu einer Betrachtung der Feiertagsproblematik insgesamt und der Geschenkeproblematik im Besonderen. Dass Mädchen gerne mit Schwertern spielen, ist bekannt. Aber die Schafe haben keines, um es dem Baby zu schenken. Das soll übrigens die Welt retten, was den freundlich-süffisanten Wolf mit Rockerzauselhaar (Helmut Dauner) dann doch reichlich irritiert: »Ein Mädchen und die Welt retten, ja, wo gibts denn so was?«
Das Gedrängel um die Geburtsstube mit warmem Rotwein, gebrannten Mandeln und roten Äpfel wollten die Schafe sich dann doch nicht antun, die Schlange war einfach zu lang. Stattdessen holpern sie ein Lied hin, das ganz sicher nicht um die Welt gehen wird: »Stille Nacht, ruhige Nacht«. Hubs Text wirft sanft Fragen nach Armut, Reichtum und Gerechtigkeit auf, die Schafe teilen schließlich die Zahnspange und haben sich recht lieb. Ende gut, alles gut.
DAS LETZTE SCHAF
TamS | Haimhauserstr. 13a | bis 23. Dez. | Fr bis So 17 Uhr | Tickets: 089 345890
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