Elsa-Sophie Jach ist seit September der Youngster unter den Hausregisseur*innen am Resi. Ihre Arbeiten folgen dem Sound der Sprache und verzichten selten auf Livemusik und Chöre.

Elsa-Sophie Jach

Dem Zischeln im Raum nachspüren

elsa-sophie jach

Elsa-Sophie Jach | Sandra Ther

Kaum dreißig und schon Hausregisseurin am Residenztheater? Lauscht man Elsa-Sophie Jach aufmerksam, hört man leise Siebenmeilenstiefel klappern. Mit 17 begann sie in Berlin Theaterwissenschaft zu studieren – »für Regie fühlte ich mich noch zu jung« –, erstmals an einem Theater hospitiert hat sie »mit 14 oder 15«. Bei Nuran David Calis in Hannover war das, Jach war »sofort schockverliebt« und hat von da an das Hospitieren und später Assistieren »eigentlich immer verlängert«. Erst als das Studium des Szenischen Schreibens dazukam, fand sie es angebracht, sich auf die eigene Kreativität zu fokussieren. Das Regiestudium an der Hamburger Theaterakademie muss dann der Punkt hinter einer längst gefällten Entscheidung gewesen sein. Sie hat der 1991 in der Nähe von Bremen Geborenen eine Einladung zum Münchner Regiefestival Radikal jung, Nennungen als Nachwuchsregisseurin des Jahres und eine Nominierung zum Nestroypreis eingebracht.

Ihre Stücke wurden am Landestheater Salzburg und in Werkstattinszenierungen am Wiener Burgtheater und am DT Berlin gezeigt, während sie selbst sich bislang lieber an den Texten anderer gerieben hat. Warum? »Für mich ist das Spannende am Theater die Konfrontation unterschiedlicher Welten, Sprachen und Blicke; und dass immer ein Geheimnis bleibt, an das man nicht ganz herankommt. Über den eigenen Text wüsste ich vielleicht zu viel.« Zeitgenossen wie Wolfram Höll, Maxim Biller und vor allem Thomas Köck, dessen preisgekrönte Stücke sie gerne gemeinsam mit dem Autor inszeniert, stellen ihr Aufgaben. Aber auch die Sprache von Achternbusch, Kleist oder Goethe. »Ich habe eine große Liebe zu sehr geformten Texten, die quer im Mund stehen und dem Körper Widerstand leisten. Diese Differenz erzeugt eine Art Zischeln im Raum, dem ich nachspüren will.«

Doch ganz weg ist das Selbstschreiben nicht. Für eine Performance für zwei Roboter in Graz und für ihren ersten Kurzfilm hat sie die Texte verfasst. Für »Die Unerhörten«, ihren bislang größten Erfolg in München, hat sie in archäologisch-detektivischer Feinarbeit antike Frauenfiguren aus Originalquellen herausgeschält und mit Texten einiger ihrer »Lieblingsdichter*innen« wie Ingeborg Bachmann (»›Malina‹ war für mich schon immer eine ‹›Medea‹-Bearbeitung«) Friederike Mayröcker, Heiner Müller und Christa Wolf konfrontiert und verschnitten. Die Arbeit war für sie etwas zwischen »Re-Composing« und Sampling. »›Die Unerhörten‹ sind für mich mehr Konzeptalbum als Theater«, sagt Jach über den Abend, in dem Trauer tragende Schauspielerinnen die Stimmen von gewaltsam zum Schweigen gebrachten Geschlechtsgenossinnen hörbar machen und sich dafür von vier Männern in Pink ordentlich feiern lassen. Die Impro-Techno-Truppe Slatec macht diesen »Liebesbriefen für antike Heldinnen« wie dem Publikum ordentlich Dampf unterm Hintern. Aber auch generell arbeitet Jach gerne mit Livemusik, wobei die musikalische Setzung in der Regel aus der Sprache kommt: »Ich denke Sprache vom Klang.« Das heißt aber nicht, dass ihr der Inhalt wurscht ist. Bloß wird der bei ihr selten vom Blatt gespielt. So hat Jach etwa Goethes »Die Leiden des jungen Werther« mit der Selbstmordwelle zusammengedacht, die der Briefroman seinerzeit ausgelöst hat – und mit den bewegenden Texten der Karoline von Günderrode das Männerliebesleid aus dem Stückzentrum katapultiert.

Nicht mit der Sprache, sondern in den Körpern beginnt für die junge Regisseurin die Arbeit am Chor, um den sie ebenfalls selten herumkommt. Jach hat lange Ballett getanzt und verfolgt nach eigenen Aussagen »ein fast choreografisches Prinzip«. Der komplett durchchoreografierte, gleichgeschaltete Chor interessiert sie dennoch nicht: »Ich will auf der Bühne eine Gruppe sehen, die nach ganz eigenen Regeln funktioniert, und versuche in der ersten Probenphase eine Art Schwarm herzustellen, in dem alle – auch die Musiker – die Sensoren ganz weit aufmachen, für sich und einander Verantwortung übernehmen und einen gemeinsamen Atem finden«, so Jach, der das potenziell Utopische an diesem Modell einer hyperempathischen Gemeinschaft bewusst ist, die auf der Bühne aber nicht kuschelig aussehen muss. Während der Chor in »Die Unerhörten« etwas Solidarisches hat, bilden die mit turmhohen Allongeperücken ausgestatteten Dörfler in ihrer Achternbusch-Uraufführung »Herz aus Glas« »eine Hyänengesellschaft, die auf die nächste Katastrophe wartet«.

Stilistisch wirken Jachs Arbeiten bisweilen so, als saugten sie Einflüsse von anderen Regisseurinnen ihrer Generation in sich auf. Etwa die grelle Ästhetik einer Pınar Karabulut, die Geisterhausatmosphäre à la Ersan Mondtag oder das Spielerische und Nahbare der Arbeiten von Leonie Böhm. Jach irritiert diese Bemerkung nicht. Wenn sie an einem Stück arbeite, setze sie sich »im produktiven Sinne Scheuklappen auf« und verschwinde mit ihrem Team für die Zeit der Proben in einem geschützten Raum, »in dem wir uns gemeinsam darauf konzentrieren, wo wir miteinander hinkommen.« Diese Unbeirrbarkeit hat sicher einen Anteil an ihrem Erfolg. Und enge, über die Zeit gewachsene künstlerische Verbindungen. In erster Linie mit ihren Bühnen- und Kostümbildnerinnen Marlene Lockemann, Aleksandra Pavlović und Johanna Stenzel und dem Musiker Max Kühn, aber auch mit Intendant Andreas Beck oder Team-Externen wie zum Beispiel Remsi al Khalisi, der sie als Dramaturg in Bamberg erstmals mit einem Stück von Enis Maci zusammengebracht hat und dessen Intendanzstart in Münster Jach mit einer »Orestie« eröffnet.

Ihre nächste Arbeit am Residenztheater ist ein Rendezvous mit einem ihrer liebsten toten Dichter. »Das Käthchen von Heilbronn«, das Anfang Dezember Premiere hat, ist bereits ihr vierter Kleist. Ihre These: Der Autor hat sich selbst in die Titelfigur hineingeschrieben. Deshalb wird der Abend die Frage stellen, »ob es gelingen kann, sich mit der Kraft der Poesie durch eine kalte, konstruierte Welt zu bewegen oder ob man dabei zugrunde geht«. ||

WERTHER
Residenztheater | 26. Okt. | 19.30 Uhr | 14. Nov., 5., 12. Dez. | 20 Uhr
Tickets: 089 21851940

Weitere Texte zum Münchner Theatergeschehen gibt es in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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