In den Katakomben des Glockenbachviertels hat sich die Milla als Club und Treffpunkt etabliert. Das ist nach zehn Jahren ein Grund zum Feiern.
Zehn Jahre Milla
Klingender Untergrund
Wo soll man nur anfangen bei zehn Jahren Milla? Tolle Konzerte in dem Club im Münchner Glockenbachviertel hat wohl fast jeder schon erlebt. Das heißt dort unten im Keller, im rund 30 Meter langen, schlauchartigen Raum mit dem abschüssigen Boden, der früher einmal ein Kanal war und wo statt einer Bühne die Turbine einer Elektrofirma stand. Elektrisierende Konzerte gab es dort, wie gesagt, sehr viele. Einem selbst fallen etwa die von Kreisky, dem Nino aus Wien oder von And The Golden Choir ein. Münchner Bands wie Baloon Pilot, The Moon Band oder Candelilla hatten dort sehr schöne Auftritte. Feine und sehr unterschiedliche Programmreihen wie der »Song Slam«, »Jazz Jam«, »Bumm Clack« oder »Krauthammer« hatten und haben dort ihren Ort. Wenn man so darüber nachdenkt, merkt man erst, wie prägend die Milla in den vergangenen Jahren für das Musik- und Nachtleben in München gewesen ist.
Und genau das gilt es nun Mitte Oktober zu feiern. Mit Konzerten und Partys, Musikern und DJs, die zum Teil sehr eng mit der Milla verbunden sind. Andere wie die in Berlin lebende Amerikanerin JJ Weihl alias Discovery Zone oder die Hyper-Pop-Noise-Band Zouj aus Leipzig spielen zum ersten Mal in dem Münchner Club. Und sie sind deshalb zur Geburtstagsfeier eingeladen, weil sie, erzählt Cornelia Pazmandi, aktuell einfach »sehr spannend« sind. Pazmandi hat acht Jahre lang als Bookerin in der Milla gearbeitet. Ende Juli hat sie dort aufgehört, ist nun zum Abschied aber noch für das Geburtstagsprogramm mitverantwortlich. Außerdem macht sie mit der Autorin, Musikerin und Bookerin Mira Mann zusammen das Geburtstagsmagazin, das am 14. Oktober in einer Auflage von 300 Stück erscheint.
Darin gibt es dokumentarisches Material wie Plakate oder Fotos sowie Texte von verschiedensten Autoren, die jeweils ihre ganz eigene Perspektive auf »10 Jahre Milla« werfen. Darunter sind aktuelle und ehemalige Mitarbeiter, Szeneleute und natürlich auch zahlreiche Musiker, die in der Milla auftraten. Wie etwa der Nino aus Wien, der sich im Text an seine Konzerte dort erinnert. Der sich darin aber genauso der Frage widmet, warum es »die« und nicht »der« oder »das« Milla heißt.Das wurde in der Anfangszeit tatsächlich vielfach diskutiert, nachdem die Milla am 17. Oktober 2012 erstmals ihre Pforten öffnete. Versprochen wurden damals: Bier, eine »Redemöglichkeit« und »feuilletonistisch anspruchsvolles Treiben«. Ansonsten waren Kneipenabende und gelegentliche Auftritte geplant. Wie der des Jazzgeigers Gregor Hübner, der am 18. Oktober 2012 das erste Milla-Konzert spielte. Die offiziellen Milla-Betreiber sind seit damals Gerd Baumann, Till Hofmann und Peter Brugger. Gerd Baumann kennt man als Musiker und Filmkomponisten. Till Hofmann hat bei Eulenspiegel Concerts, im Lustspielhaus und in vielen anderen Dingen seine Finger drin. Und Peter Brugger ist Sänger und Gitarrist der Sportfreunde Stiller. Ob sie Interesse an den Räumen hätten, wurden sie damals von den Hauseigentümern gefragt. Die hatten selbst bereits 2010 versucht, mit dem »Bachbett« dort ein Lokal und eine Kleinkunstbühne zu installieren, sind aber bald darauf damit gescheitert. Ganz anders Baumann, Hofmann und Brugger, die in puncto Musik und Veranstaltungen vom Fach waren. Unter ihnen lief die Milla nicht nur finanziell erfolgreich, sondern sie bekam auch 2014 auf dem Hamburger Reeperbahn-Festival den Spielstättenpreis verliehen. Und 2016 gab es in Köln den Spielstättenprogrammpreis Applaus.
So wirklich im eigenen Viertel angekommen ist die Milla spätestens 2017 beim »Milla Walky Talky«. »Da hatten wir zuerst die Idee, einfach durchs Glockenbachviertel zu ziehen«, erinnert sich Cornelia Pazmandi. Daraus geworden ist dann aber »ein richtiges Straßenfest«. Tatsächlich ist das »Walky Talky« auch das, woran sich die Bookerin aus ihren acht Jahren Milla am liebsten erinnert. »Viele Leute sprechen heute noch davon. Das ganze Viertel war eine feiernde Masse.« Seit Corona kann sie sich so etwas gar nicht mehr vorstellen. Die Pandemiezeit? Die war auch für die Milla schwierig. Als der Club wegen der Pandemie geschlossen war, versuchten sie unter anderem mit der »Telemilla« den Kontakt zum Publikum zu halten. Und als es dann wieder losging, war da diese besondere »Mischung aus Vorsicht und Euphorie«, erzählt Pazmandi. Auch heute noch hat sie den Eindruck, dass das Publikum verhaltener ist als früher. Und ob das nun beim Geburtstagsfest genauso ist, das wird sich spätestens bei ihrem Auftritt zeigen.
Denn nicht nur die Milla-Gründer sind sehr musikalisch, sondern auch alle bisherigen Booker. Und so tritt nicht nur Cornelia Pazmandi mit ihrem Soloprojekt Tiger Tiger beim Fest auf. Auch mit Mira Mann steht eine ehemalige Milla-Bookerin auf der Bühne. Bei der Cold-Wave-Band Bleib Modern sitzt mit Thomas Schamann ein Ex-Milla-Booker am Schlagzeug. Und Philipp Englhardt, der aktuell mit Lena Britzelmair (ebenfalls Musikerin) das Booking macht, tritt unter seinem Hip-HopAlter-Ego ditu auf. Das verspricht ein buntes, spannendes Line-up. Und wie es sich für ein ehemaliges Bachbett gehört, wird daraus am Ende vielleicht doch noch ein rauschendes Fest. ||
ZEHN JAHRE MILLA
Milla Club | Holzstr. 28 | 14.–16. Okt. | 20 Uhr
Tickets: 089 18923101 | Website
Weitere Vorberichte zu Konzerten in München finden Sie in der kompletten Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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