Auf einen Absacker in die »Wunderbar«: Im GOP wird das Ende gefeiert und ist dann doch keins.
»Wunderbar« am GOP Varieté
Seufzer der grundlosen Zuversicht
Auch Abschiede müssen gefeiert werden. Und dafür, dass es angeblich der letzte Abend ihrer Bar ist, in der sie praktisch auf die Welt gekommen ist, wirkt die Chefin erstaunlich gelassen. Im feuerroten Hippie-Hosenanzug parliert Chanteuse Ruth von Chelius, die zusammen mit Detlef Winterberg auch Regie geführt hat, mit dem Publikum, begrüßt treue Stammgäste – Ernesto mit neuem Herzschrittmacher und die Uschi, die hier seit Jahren erfolgreich ihre Alkoholallergie bekämpft –, singt mit tiefem Timbre »As Time goes by« und beschwört Geschichten aus der glorreichen Vergangenheit der »Wunderbar«, so der Titel der neuen Show im Varieté GOP. Eine eingeschworene Gemeinschaft ist das perfekt aufeinander eingespielte Team, in dem Julia von Miller alternierend mit Ruth von Chelius (beide Mitglieder der String of Pearls) die Patronin gibt.
Manch eine Gästin gehört schon zum Inventar wie Ava, die vor allem von sich selbst berauschte Dame in Grün, eine kapriziöse Kreation der französischen Comedy-Lady Orianne Bernard. Nicht nur für sie ist es eine Katastrophe, dass dem Etablissement nun das Aus droht. Ein investitionswütiger Milliardär aus Amerika hat es ausgerechnet auf die ungeraden Hausnummern der Maximilianstraße abgesehen, und da gehört das GOP mit der Nr. 47 nun einmal dazu. Dabei scheint hier alles so selbstverständlich am Platz, wie das Cocktailglas, das die biegsame Trapezkünstlerin Annika Hemmerling auf einem gläsernen Strohhalm balanciert, und das halbe Dutzend Hula-Hoop-Reifen, die die quirlige Amerikanerin Vivian Spiral mit Esprit um sich herumschwirren lässt.
Schon die Getränkelieferanten haben den Dreh raus – gern auch auf dem Kopf – und stemmen nicht nur Bierkästen, sondern sich selbst wechselseitig in die unglaublichsten Schräglagen. Für das eigentlich vorgesehene russisch-ukrainische Duo Fabulous ist vorübergehend (verletzungs-, nicht kriegsbedingt) das Breakdance-Duo Battle Beats, cool bis unter die Beanie, eingesprungen. Dass die Artisten nicht nur mit höchsten Schwierigkeitsgraden, sondern ebenso mit Charisma und unverwechselbarer Persönlichkeit faszinieren, gehört zur besonderen Qualität der GOP-Programme. So auch hier der furios verzweifelte Magier Winston Fuenmayor aus Venezuela, dem die Karten aus Händen und Haaren zu wachsen scheinen, und wiederum ganz anders ein zunächst schüchtern und schmächtig wirkender barfüßiger Thekengast, der erst mit seiner No-Limit-Karte und dann – in einer Bar nimmt man nur Bares – mit einem atemberaubend auf Händen performten Kunstwerk bezahlt. Equilibrist Mukhamadi Sharifzoda aus Tadschikistan steht mit 22 Jahren noch ganz am Anfang seiner Karriere und übernimmt hier bereits eine Schlüsselrolle.
Nach Pause und Dessert darf endlich auch der stoische Barkeeper, rein äußerlich ein Vexierbild zwischen James Bond und Meister Proper, zeigen, was sonst noch in ihm steckt: Rollschuh-Jongleur TJ Wheels begeistert zuerst mit meisterlicher Rola-Rola-Artistik, bei der auf übereinander gestapelten Brettern und Zylindern balanciert wird, bevor er in einer Art Minihalfpipe im fliegenden Lauf in der Luft zu stehen scheint und dabei Flaschen, Bälle und Ringe jongliert.
Als Gegenstück zum smarten Superhelden beweist zuletzt ein kleiner Kerl ohne Kopf und mit verdrehten Gliedmaßen (ebenfalls Annika Hemmerling), wie man das Herz der grünen Dame gewinnen kann, und als studierte Seufzerologin übt die Wirtin mit allen Anwesenden den Seufzer der grundlosen Zuversicht – wahrlich eine wunderbare Übung für Krisenzeiten! ||
WUNDERBAR
GOP | bis 6. Nov. | Di bis Do 20 Uhr, Fr & Sa 17.30, 21 Uhr | So & Feiertage 14.30, 18.30 Uhr
Tickets: 089 210288444
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