Im Innenhof der Glyptothek inszeniert Beles Adam »Odysseus und Penelope« nach Inge Merkels Roman. Wieder vom 21. August bis zum 17. September.
Odysseus und Penelope
Eine ganz gewöhnliche Ehe?
Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage – so pflegen Märchen zu enden, wenn sich die passenden Paare gefunden haben. Wie das bei Odysseus und Penelope war, als der Held nach 20 Jahren und langer Irrfahrt aus dem Trojanischen Krieg heimkehrte, darüber schweigt Homers »Odyssee«. Aber heutige Autorinnen machen sich dazu Gedanken, vor allem über die 20 Jahre treu wartende Penelope. Eine war die österreichische Altphilologin Inge Merkel, die erst mit 60 als Romanautorin debütierte. Fünf Jahre später, 1987, schrieb sie »Odysseus und Penelope. Eine ganz gewöhnliche Ehe« mit speziellem Fokus auf Penelope. Nach dem Roman erarbeitete die Schauspielerin und Regisseurin Beles Adam eine Textfassung für ihre Inszenierung im Innenhof der Glyptothek. Endlich finden die vor 33 Jahren von Gunnar Petersen und Beles Adam gegründeten Theaterspiele Glyptothek nach dem Museumsumbau wieder am Stammplatz statt.
Einen schöneren Ort für Freilichttheater gibt es nicht in München: Abenddämmerung, klassizistisches Ambiente, Bäume, kleine Tische mit Gratiswein, Wasser und Brot. (Umso ärgerlicher, dass lärmintensive Veranstaltungen auf dem Königsplatz im August eine zehntägige Spielpause erzwingen.) Die aufgeführten Stücke haben immer einen Bezug zur Antike. Durch den Hof schleppt sich ein zerlumpter Bettler, überlegt, wie er seine Identität beweisen kann. Die Hausherrin durchschaut mit scharfem Blick die Verkleidung, ohne es sich anmerken zu lassen. Das Ehebett, das Odysseus einst um einen Olivenbaum herum gebaut hat, dient als Erkennungszeichen. Auf der Bühne – wie immer ein schlichtes, schräges Podest – reichen dafür ein Rinderfell und drei Baumblöcke. Da lagert sich nach einigen Sirtakischritten das Paar, Sven Schöcker in Blau gekleidet, Daniela Voß in Dunkel- und Hellrot. Penelope, obwohl über Odysseus’ Erlebnisse gut informiert, will noch mal alles aus seinem Mund hören. Merkel bedient sich einer antikisierenden Hochsprache, scheut aber Drastik nicht: Agamemnon war ein Hohlkopf, Achilles ein »weiberärschiger Muskelprotz«. Odysseus heischt Mitleid: »Du ahnst ja gar nicht, was ich mitgemacht habe!« Seine Liebhaberinnen Kalypso und Circe verteidigt er gegen ihre Eifersucht, sie hätten ihm schließlich das Leben gerettet. Er erzählt die Geschichten eines von Neugier getriebenen Abenteurers, sie kontert selbstbewusst: »Hättet ihr Helena Helena sein lassen, wie viele wären noch am Leben!« Schöcker und Voß absolvieren den langen Diskurs über Liebe, Krieg, fremde Götter, Frauen, Leid und Tod souverän, obwohl er ihnen kaum Aktionsmöglichkeiten bietet.
Doch der Held ist müde vom Leben, sucht Erlösung und entschläft in Penelopes Armen. Die nun endgültig Verlassene zieht eine große, traurige Bilanz. Sie versteht, »Männer brauchen Bewährung, am Ende steht immer etwas Wunderbares oder der Tod«. Sie reflektiert das quälende Warten der Frauen, zerrissen zwischen Angst und Eifersucht. Weich und zärtlich nimmt Voß’ Penelope Abschied: »Geliebter, Schurke, Schürzenjäger, Lügner und Träumer.« Und erhebt sich mit einem unerwartet harten Satz. Die Zeit der Rücksicht ist vorbei. ||
ODYSSEUS UND PENELOPE
Glyptothek | Innenhof | tgl. bis 17. Sept.
20 Uhr, Do 20.30 Uhr | nicht 11.–21. Aug.
Tickets: 0171 3006259
s.schoecker@theaterspieleglyptothek.de
Tageskasse Glyptothek Di bis So 10–16.30 Uhr
Karten bei Ausfall wegen Regen für weitere Vorstellungen gültig
Weitere Theaterkritiken gibt es in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.
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