Mit »Stickman« und »Wir wollen nie nie nie« kommen zwei sehr besondere, zwischen Neuem Zirkus und Objekttheater changierende Gastspiele ins HochX.
»Stickman« und »Wir wollen nie nie nie« im HochX
Wer manipuliert hier eigentlich wen?
Nein, mit der Münchner Initiative Neuer Zirkus haben die beiden Gastspiele nichts zu tun, die auf der Schwelle zum April im HochX Premiere haben. Mit dem FigurenTheaterForum und seiner Reihe Figurentheater der Gegenwart im Münchner Stadtmuseum allerdings schon. Und einen Hang zum Zirzensischen können weder »Wir wollen nie nie nie« vom jungen Kollektiv Raum 305 noch Darragh McLoughlins »Stickman« verleugnen. Mascha Erbelding, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Sammlung Puppentheater, hat die beiden sehr besonderen, die Möglichkeiten des Stadtmuseumssaals technisch überfordernden Abende für Erwachsene nicht nur schon lange auf dem Zettel, sondern freut sich auch mächtig, dass sie im HochX einen Spielort hat, in dem sie sie zeigen kann: »Wir haben uns gegenseitig gerne, das HochX und wir!« Schon seit 2018 ist das HochX Kooperationspartner des Internationalen Figurentheaterfestivals »Wunder.«, und einige eingeladene Produktionen sind in die Entenbachstraße ausgelagert worden. Jetzt gibt der Ortswechsel schon mal einen Vorgeschmack auf die Jahre, in denen das Münchner Stadtmuseum geschlossen sein wird. Ob das eher ältere Stammpublikum mitzieht? Erbelding erlebt die Mitglieder der Gesellschaft zur Förderung des Puppenspiels e.V. als erstaunlich flexibel und experimentierfreudig. Die beiden Abende im HochX könnten aber gut und gerne auch ein breiteres und möglicherweise jüngeres Publikum interessieren. Miteinander kombiniert wurden sie mit dem Gedanken, dass im Nouveau Cirque ohnehin vieles ans Figurentheater erinnert: »Gerade im Clownesken spielt die Tücke des Objekts ja immer eine Rolle – und da ist der Schritt zur Animation nicht mehr weit.« So Erbelding.
Raum 305 ist ein interdisziplinär aufgestelltes Team, bestehend aus dem Schweizer Regisseur, Jongleur und Performer Philipp Boë, dem tanzenden Puppenspieler Jarnoth und dem Trapezkünstler Moritz Haase. Ihr Debüt von 2019 hat 2021 an den 1st Annual International Circus Awards teilgenommen, lässt sich aber mit seiner knappen Spielfilmlänge schlecht als Nummer in ein Varietétheaterprogramm wie das des GOP einfügen, wo Jarnoth in »Der kleine Prinz auf Station 7« die unscheinbare und im Wortsinn gesichtslose Titelfigur zur erstaunlich vielfältigen Projektionsfläche entwickelt hat. Eine sehr ähnliche Puppe ohne Gesicht gibt es auch jetzt wieder – und mit Jarnoth und Moritz Haase zwei Männer ohne Haare, die einander zu spiegeln und zu ergänzen scheinen. Die Musik von Thimo Pommerening ist spannungsvoll und dynamisch, die Stimmung schon im Trailer unheimlich bis kühl. Die beiden erzählen aber auch ganz schön cool und nur mit ihren tanzenden und fliegenden Körpern von einer nicht konfliktfreien, aber poetischen Symbiose, in die sich eine Puppe als Störer drängt.
Erbelding empfindet das Stück als »sehr perfekt, in sich abgeschlossen und durchkomponiert – im Unterschied zu dem, was im Objekttheater oft auch schön ist: dass auf der Bühne etwas gebastelt wird und live entsteht. Außerdem hat der Abend eine ganz eigene Handschrift« – durch die so spannende wie seltene Kombination von Artistik, Puppenspiel und Tanz. Luftakrobatik und Figurentheater? Eine Beraterin habe dem jungen Team rundheraus bescheinigt, »die beiden Randgruppen unter den darstellenden Künsten« zu vertreten, erzählt Haase vergnügt in demselben Interview mit dem Berliner Chamäleon-Theater, in dem Jarnoth von dem Versuch spricht, mit der Verbindung »zweier Superheldenkräfte« Magie herstellen zu wollen. Und eine Situation, in der am Ende nicht klar ist, wer eigentlich wen manipuliert.
Das ist auch die Frage in »Stickman« – einem 45-Minüter von 2018, der Objekttheater und Jonglage mischt und »in dem ein Stock nach und nach ein Eigenleben bekommt«, erzählt Erbelding. In einem von mehreren Videoteasern zum Stück steht ein einsamer Stecken auf leerer Bühne stramm und hinter ihm verkündet ein Schriftzug: »stick being watched«. Ein bisschen Marcel Duchamp, ein bisschen Understatement und ein bisschen Sinnesverwirrung verspricht dieser intime Abend, der auf mehreren Metaebenen zugleich operiert, beständig Wahrnehmungs-(Re)framing betreibt und ihre und unsere Manipulierbarkeit selbst zum Thema macht. »Sehr witzig und in der Kommunikation mit dem Publikum sehr intelligent«, verspricht Erbelding. ||
STICKMAN / WIR WOLLEN NIE NIE NIE
HochX | Entenbachstr. 37 | 31. März / 1., 2. April | 20 Uhr
Tickets: 089 90155102
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