Angst und Hoffnung, Zweifel und Liebe – alles wird in Mike Mills’ »Come On, Come On« zu der irritierenden Einheit, die sich Leben nennt. Und zu filmischem Hochgenuss!

Come On, Come On

Schwere des Zukunft, Leichtigkeit des Moments

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Johnny (Joaquin Phoenix) und Jesse (Woody Norman): Ein Team im Taumel des Lebens | © A24

Ein Drahtseilakt zwischen Licht und Dunkelheit des Lebens: Nichts anderes ist »Come On, Come On«, der neue Film von Mike Mills (»Jahrhundertfrauen«, »Beginners«). Dieses Balancieren ist so perfekt, dass man es überhaupt nicht merkt. Nach einiger Zeit lässt man sich nur noch von der reinen Bewegung faszinieren und konstatiert erst im Nachhinein die Gefahr. Und das, wo doch die Zukunft als zusätzliches Gewicht am gesamten Geschehen hängt!

Die Sichtweise der Kinder, sie will Johnny (Joaquin Phoenix) für die Gegenwart festhalten. Der Radiojournalist reist durch die USA und befragt die junge Generation zu ihren Ängsten, aber auch zu ihren Hoffnungen und Träumen. Der gerade wieder ins Singleleben zurückgestoßene Mann wirkt selbst ein wenig taumelnd. Dann meldet sich jedoch seine Schwester Viv (Gaby Hoffmann) und bittet ihn, ein Auge auf seinen Neffen Jesse (Woody Norman) zu werfen. Da Johnny die Gedankenwelt der Kinder ja nun genug kennt, wird das doch ein Leichtes sein.

Was als Blaupause für eine Feel-Good-Komödie herhalten könnte, entpuppt sich als großartige Vorlage für einen Film, für den keine Zuschreibung passen will. Zu gegensätzlich und am Ende doch einheitlich sind die Emotionen dieses Zweiergespanns, das unfreiwillig zum Selbstfindungstrip aufbricht. Jesse ist ein liebenswerter, aufgeweckter, doch auch sehr anstrengender Junge. Freunde hat er anscheinend keine, dafür eine lebhafte Fantasie und eigenartige Spiele. Laute Opernmusik und Gespräche über tote Kinder sind nur zwei Dinge, mit denen Johnny umgehen muss. Und dann noch mit dem Schatten des psychisch kranken Vaters, dem Grund für Vivs Abwesenheit.Johnny wird hier mit mehr als einem Frage-Antwort-Spiel konfrontiert, dessen Fäden er in der Hand hält. Auch als er den Jungen mit in sein Habitat New York nimmt, gerät die Situation immer wieder an den gefährlichen Rand des Absturzes.

Dieser Seiltanz zwischen Liebe und Überforderung ist der eine. Der andere ist der Film selbst. Er ist alles andere als das Vorspielen einer heilen Welt, die ganz von selbst wieder ins Lot gerät. Mike Mills zeigt schonungslos die Krisen, deren Opfer Jesse ist, genauso wie die Zweifel Johnnys, der hier zum ersten Mal erfährt, was es heißt, die Erwachsenenrolle zu spielen. Auch wenn man dank der wunderbaren Performances von Phoenix und Norman ganz bei den Schauspielern ist, wird klar, dass dieser Film etwas anspricht, das uns alle streift. Mit seinem Roadmovie-Feeling lässt er die Zuschauer jedoch so leicht durch das Geschehen wandern, dass sie immer wieder Zeit haben, die Schönheit des Moments zu genießen. Über den Abgründen von Kitsch und Hoffnungslosigkeit schwebt dieses kleine Meisterwerk mit einer schon meditativen Leichtigkeit. Da braucht es am Ende auch keine groß ausgewalzte Message. An diesen beiden Charakteren sieht man doch schon, was ein erster Schritt in die Zukunft sein könnte: das Eingehen aufeinander. Hat man schon mal gehört? Ganz sicher, aber so gekonnt gezeigt wie hier wurde das schon lange nicht mehr. ||

COME ON, COME ON
USA 2021 | Regie: Mike Mills | Mit: Joaquin Phoenix, Woody Norman, Gaby Hoffmann u.a.
114 Minuten | Kinostart: 24. März
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